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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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bisher noch kein Wort gesprochen hatte.
    «Wenn Sie mir einen Vorschlag gestatten», sagte Wimsey boshaft, «ich meine, da die Dame sich offenbar in einer Position befindet, in der sie sicher das besondere Vertrauen des Präsidenten genießt, dürfte mein bescheidenes Schriftwerk gewiß nichts Neues für sie enthalten. Warum soll nicht Nummer Zwei gehen?»
    «Weil ich sage, daß sie nicht geht», sagte der Präsident streng, um der raschen Antwort zuvorzukommen, die sich schon auf den Lippen seiner Gefährtin formte. «Wenn es der Wille dieser Versammlung ist, werde ich eben gehen. Geben Sie mir den Schlüssel zum Haus.» Einer der Männer entnahm Wimseys Jackentasche den Schlüssel und reichte ihn weiter.
    «Wird das Haus bewacht?» fragte er Wimsey.
    «Nein.»
    «Ist das die Wahrheit?»
    «Es ist die Wahrheit.»
    Der Präsident drehte sich an der Tür noch einmal um.
    «Wenn ich in zwei Stunden nicht zurück bin», sagte er, «bringe sich jeder in Sicherheit, so gut er kann, und machen Sie mit dem Gefangenen, was Sie wollen. Nummer Zwei hat in meiner Abwesenheit das Kommando.»
    Er verließ den Raum. Nummer Zwei erhob sich mit gebieterischer Gebärde von ihrem Stuhl.
    «Meine Damen und Herren, das Essen ist hiermit vorüber. Beginnen Sie wieder mit dem Tanzen.»
    Unten im Keller verging die Zeit sehr langsam mit der Betrachtung der Apparatur für Stufe fünf. Der unselige Jukes jammerte und tobte abwechselnd, bis er sich endlich müde gebrüllt hatte. Die vier Mitglieder, die die Gefangenen bewachten, flüsterten von Zeit zu Zeit miteinander.
    «Schon anderthalb Stunden, seit der Präsident fort ist», sagte der eine.
    Wimsey sah kurz auf. Dann wandte er sich wieder der Besichtigung seines Gefängnisses zu. Es befanden sich viele merkwürdige Dinge darin, die er sich einprägen wollte.
    Kurz darauf flog die Falltür auf. «Bringen Sie ihn rauf!» rief eine Stimme. Wimsey stand augenblicklich auf; sein Gesicht war ziemlich blaß.
    Die Bandenmitglieder saßen wieder um den Tisch herum. Nummer Zwei hatte auf dem Präsidentenstuhl Platz genommen, und ihre Augen richteten sich mit einer tigerhaften Wut auf Wimsey, doch als sie sprach, tat sie dies mit einer Selbstbeherrschung, der er seine Bewunderung nicht versagen konnte.
    «Der Präsident ist jetzt zwei Stunden fort», sagte sie. «Was ist mit ihm geschehen? Doppelter Verräter – was ist mit ihm geschehen?»
    «Woher soll ich das wissen?» antwortete Wimsey. «Vielleicht war ihm die Nummer Eins am nächsten, und er hat sich aus dem Staub gemacht, solange der Wind günstig stand.»
    Sie sprang mit einem spitzen Wutschrei auf und trat dicht vor ihn hin.
    «Bestie! Lügner!» schrie sie und schlug ihm auf den Mund.
    «Sie wissen genau, daß er das nie täte. Er steht zu seinen Freunden. Was haben Sie mit ihm gemacht? Reden Sie – oder ich werde Sie zum Reden bringen! Sie beide dort – holen Sie die Eisen. Er wird reden!»
    «Ich kann nur mutmaßen, Madame», antwortete Wimsey, «und ich mutmaße bestimmt nicht besser unter der anregenden Wirkung glühender Eisen, wie Pantalone im Zirkus. Beruhigen Sie sich, dann sage ich Ihnen, was ich vermute. Ich vermute – das heißt, ich fürchte sogar sehr –, daß Monsieur le Président in seinem Eifer, den interessanten Inhalt meines Safes zu begutachten, die Tür des Innenraums hinter sich hat zufallen lassen – zweifellos natürlich nur versehentlich. In diesem Falle –»
    Er hob die Brauen, denn seine Schultern taten zum Zucken zu weh, und sah sie mit einem ehrlichen Ausdruck unschuldigen Bedauerns an.
    «Was soll das heißen?»
    Wimsey sah sich in der Runde um.
    «Ich glaube», sagte er, «ich fange am besten ganz vorn an und erkläre Ihnen den Mechanismus meines Safes. Es ist ein recht hübscher Safe», fügte er wehmütig hinzu. «Die Idee dazu stammt von mir selbst – nicht das Funktionsprinzip natürlich; das ist eine Sache für Wissenschaftler – nur die Idee dazu.
    Die Kombination, die ich Ihnen angegeben habe, ist soweit völlig richtig. Es ist ein Dreizehn-BuchstabenKombinationsschloß von Bunn & Fishett – ein sehr gutes Exemplar seiner Art. Es öffnet die Außentür, die in den normalen Tresor führt, in dem ich mein Geld und Manschettenknöpfe und dergleichen aufbewahre. Aber dahinter ist noch ein Innenfach mit zwei Türen, die auf völlig andere Weise geöffnet werden. Die äußere der beiden ist nur eine Stahlplatte, so angestrichen, als ob sie die Rückwand des Safes wäre, und paßgenau eingefügt,
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