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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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aus dem Haus marschiert und habe sich nie wieder blicken lassen; und das Komische sei gewesen, daß die Frau, als er (Pettifer) sie nach ihm fragte, höchst erstaunt geantwortet habe, sie habe den Mann ihr Lebtag nie gesehen und für Pettifers Assistenten gehalten.
    «Das erinnert mich an etwas noch Komischeres, was mir einmal in New York passiert ist», sagte Varden, «und ich habe nie herausbekommen, ob dieser Mann nun ein Verrückter oder ein Witzbold war, oder ob ich wirklich mit knapper Not davongekommen bin.»
    Das klang vielversprechend, und der Gast wurde bestürmt, seine Geschichte zu Gehör zu geben.
    «Also, angefangen hatte das eigentlich schon vor Jahren», sagte der Schauspieler. «Sieben Jahre muß es wohl her sein – kurz bevor Amerika in den Krieg eintrat. Ich war damals fünfundzwanzig und arbeitete seit etwas über zwei Jahren beim Film. Es gab da einen Mann namens Eric P. Loder, der zu dieser Zeit in New York recht bekannt war und sicher ein sehr guter Bildhauer gewesen wäre, wenn er nicht mehr Geld gehabt hätte, als ihm guttat – so habe ich es wenigstens von Leuten gehört, die davon etwas verstehen. Er beschickte viele Galerien und veranstaltete selbst exklusive Einzelausstellungen, wohin dann die sogenannten Intellektuellen gingen – er hat viel in Bronze gearbeitet, glaube ich. Vielleicht haben Sie schon von ihm gehört, Masterman?»
    «Ich habe noch nichts von ihm gesehen», sagte der Dichter, «aber ich erinnere mich an ein paar Fotos in The Art of Tomorrow . Raffiniert, nur ein bißchen überspannt. Hat er nicht viel von diesem chryselephantinen Zeug gemacht? Nur um zu zeigen, daß er sich das Material leisten kann, denke ich.»
    «Ja, das klingt sehr nach ihm.»
«Natürlich – und dann hat er eine sehr schmissige und ebenso häßliche realistische Gruppe namens Lucina gemacht und besaß die Unverschämtheit, sie massiv in Gold gießen zu lassen und in seiner Diele aufzustellen.»
«Ach, dieses Ding! Doch – das fand ich einfach scheußlich, und ich konnte in der ganzen Idee auch absolut nichts Künstlerisches sehen. Realistisch würde man es wahrscheinlich nennen. Ich mag Bilder und auch Skulpturen, die man genießen kann, wenn man sie ansieht, denn wozu sind sie sonst da? Trotzdem hatte dieser Loder etwas sehr Anziehendes an sich.»
    «Wie sind Sie ihm über den Weg gelaufen?»
«Ach so, ja. Nun, er hatte mich in diesem Filmchen gesehen, Apollo kommt nach New York – vielleicht erinnern Sie sich daran. Es war meine erste Hauptrolle. Handelt von einer Statue, die zum Leben erweckt wird – einer von diesen alten Göttern, Sie wissen ja –, und wie es ihm in einer modernen Stadt ergeht. Der gute alte Reubenssohn hat das Ding produziert. Also, das war ein Mann, der so etwas mit künstlerischer Vollendung durchziehen konnte. Es war überhaupt nichts Anstößiges in dem Film von Anfang bis Ende, alles ausgesprochen geschmackvoll, und dabei hatte ich doch im ersten Teil nichts weiter an als so eine Art Schärpe – nach der klassischen Statue, Sie verstehen.»
    «Apollo von Belvedere?»
«Genau der. Also. Loder schrieb mir, er interessiere sich als Bildhauer für mich, weil ich eine gute Figur hätte und so weiter, und ob ich ihn nicht mal in New York besuchen könne, wenn ich frei sei. Ich habe mich also nach Loder erkundigt und fand, das wäre eine gute Werbung, und sowie mein Vertrag ausgelaufen war und ich ein bißchen Zeit zum Totschlagen hatte, habe ich mich nach Osten aufgemacht und ihn besucht. Er war sehr nett zu mir und lud mich ein, ein paar Wochen bei ihm zu bleiben, solange ich mich umschaute.
    Er hatte ein großes, prächtiges Haus, etwa fünf Meilen außerhalb der Stadt, vollgestopft mit Bildern und Antiquitäten und so weiter. Er muß so zwischen fünfunddreißig und vierzig gewesen sein, schätze ich, so ein dunkler, geschmeidiger Typ mit sehr flinken, lebhaften Bewegungen. Er erzählte sehr gut; schien schon überall gewesen zu sein und alles gesehen zu haben und hatte offenbar von der Welt keine allzu gute Meinung. Man konnte stundenlang dasitzen und ihm zuhören; über jeden wußte er Anekdoten zu erzählen, vom Papst bis zu Phineas E. Groot vom Chikagoer Ring. Die einzigen Geschichten, die ich nicht gern von ihm hörte, waren die von der unanständigeren Sorte. Das soll nicht heißen, daß ich nicht auch mal an einer nicht ganz astreinen Geschichte meinen Spaß habe – halten Sie mich bitte nicht für einen Moralapostel, o nein –, aber er erzählte sie einem
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