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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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hat das Haus überhaupt nie verlasse›, sagte der junge Mann, ‹und wenn Sie nicht auf der Stelle verschwinden, garantiere ich nicht dafür, daß Sie es je verlassen werden.›
‹Um Gottes willen!› rief ich, außer mir. ‹Was soll das heißen?›
Der Mann drehte sich um und warf die blauen Kissen vom Fuß des silbernen Sofas.
‹Haben Sie sich schon einmal die Zehen von diesem Ding da angesehen?› fragte er.
‹Nicht so genau›, antwortete ich immer verwunderter. ‹Warum sollte ich?›
‹Können Sie sich erinnern, daß Loder je eine Plastik von ihr mit dieser kurzen Zehe am linken Fuß gemacht hat?› fuhr er fort.
Also, daraufhin habe ich sie mir angesehen, und es war so, wie er gesagt hatte – am linken Fuß war die zweite Zehe kurz.
‹Stimmt›, sagte ich, ‹aber warum eigentlich nicht?›
‹Eben, warum nicht?› meinte der junge Mann. ‹Möchten Sie vielleicht einmal sehen, warum von allen Plastiken, die Loder von Maria gemacht hat, diese hier die einzige mit den Füßen des lebenden Originals ist?›
Er nahm den Schürhaken in die Hand.
‹Passen Sie mal auf›, sagte er.
Mit viel mehr Kraft, als ich ihm zugetraut hätte, ließ er das Ende des Schürhakens auf das silberne Sofa krachen. Er traf einen der Arme der Statue genau am Ellbogengelenk und hinterließ ein gezacktes Loch im Silber. Dann packte er den Arm und riß ihn los. Er war innen hohl, und so wahr ich lebe, sage ich Ihnen, daß ein langer, trockener Armknochen darin steckte.»
Varden legte eine Atempause ein und trank einen kräftigen Schluck Whisky.
«Und?» riefen mehrere atemlose Stimmen.
«Nun», fuhr Varden fort, «ich schäme mich nicht, zuzugeben, daß ich aus dem Haus gerannt bin wie das Karnickel aus dem Kohlfeld, wenn es den Mann mit der Flinte kommen hört. Direkt vor dem Haus stand ein Wagen, und der Fahrer öffnete die Tür. Ich taumelte hinein, und da überkam es mich, daß dies eine Falle sein könnte, also sprang ich wieder hinaus und rannte, bis ich an der Straßenbahn war. Aber anderntags fand ich mein Gepäck am Bahnhof vor, ordnungsgemäß nach Vancouver aufgegeben.
Als ich wieder zu mir kam, fragte ich mich dann doch, was Loder wohl von meinem plötzlichen Verschwinden halten würde, doch in dieses Schreckenshaus zurückzukehren hätte ich sowenig über mich gebracht, wie Gift zu nehmen. Ich fuhr am anderen Morgen nach Vancouver ab, und von da an bis zum heutigen Tage habe ich keinen der beiden Männer je wiedergesehen. Ich habe bis heute nicht den blassesten Schimmer, wer dieser blonde junge Mann war oder was aus ihm geworden ist, aber auf Umwegen erfuhr ich, daß Loder tot sei – es muß wohl irgendwie ein Unfall gewesen sein.»
Es trat eine Pause ein, bis Armstrong sagte:
«Das war eine verteufelt gute Geschichte, Mr. Varden.» Armstrong glaubte auf vielen Gebieten mitreden zu können und war der eigentliche Hauptgrund für Mr. Arbuthnots Antrag, das Thema Radio auf den Index zu setzen. «Aber wollen Sie damit vielleicht sagen, daß sich in dieser Silberplastik ein komplettes Skelett befand? Meinen Sie, Loder hat es in die Gußform gelegt, als sie gegossen wurde? Das wäre aber arg schwierig und gefährlich gewesen – die kleinste Panne hätte ihn der Gnade und Barmherzigkeit seiner Arbeiter ausgeliefert. Und die Statue müßte erheblich überlebensgroß gewesen sein, um ein vollständiges Skelett aufnehmen zu können.»
«Mr. Varden hat Sie unabsichtlich in die Irre geführt, Armstrong», sagte plötzlich eine ruhige, heisere Stimme aus dem Schatten hinter Vardens Sessel. «Die Statue war nicht aus Silber, sondern über einer direkt auf den Körper aufgebrachten Kupferschicht mit Silber galvanisiert. Die Dame war sozusagen versilbert. Ich nehme an, daß ihre Weichteile, nachdem der Vorgang beendet war, mit Pepsin oder einem ähnlichen Präparat aufgelöst wurden, aber mit Sicherheit kann ich das nicht sagen.»
«Hallo, Wimsey», sagte Armstrong. «Waren Sie das, der da eben reingekommen ist? Und woher diese selbstsichere Behauptung?»
Die Wirkung, die Wimseys Stimme auf Varden hatte, war ungeheuer. Er war aufgesprungen und hatte die Lampe gedreht, so daß ihr Schein auf Wimseys Gesicht fiel.
«Guten Abend, Mr. Varden», sagte Lord Peter. «Es freut mich sehr, Sie wiederzusehen und mich für mein unhöfliches Betragen anläßlich unserer letzten Begegnung entschuldigen zu können.»
Varden nahm die dargebotene Hand, aber er war sprachlos.
«Wollen Sie sagen, Sie alter Geheimniskrämer, daß Sie Vardens großer
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