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0067 - Der Teufelskrake

0067 - Der Teufelskrake

Titel: 0067 - Der Teufelskrake
Autoren: Dieter Saupe
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»Padre!« schrie er aus. »Vorsicht!«
    Alle blickten gespannt in die Richtung, in die sein Arm zeigte.
    Da sahen sie es.
    Durch die hohen Wellenberge glitt ein riesenhafter schwarzer Körper. Schon war er heran. Wie die Greifer eines Baggers wühlten sich die Arme des Kolosses durchs Wasser. Und plötzlich griff einer dieser gewaltigen Arme nach dem Boot! Ein weiterer Arm folgte.
    Und dann die Schreie der Männer. Schreie aus Todesfurcht und Entsetzen. Die Arme des Ungeheuers rissen das Boot an sich, schlangen sich um den schlanken Holzleib, der halb ins Wasser getaucht war.
    Die Planken barsten unter dem gewaltigen Druck dieser Arme.
    Boot und Männer wurden zerquetscht wie eine Nußschale.
    Nur Luigi Tresi, der Vater, konnte sich retten. Er sah das Ungeheuer, und er glaubte, in die Hölle hineinzusehen. Er sah einen Wellenberg herankommen. Da sprang er.
    Er glaubte, mitten ins Land des Todes zu stürzen. Denn unter dem Meer schien sich die Erde aufzutun. Das Unfaßbare war geschehen.
    Ein Monster, schwarz und unbesiegbar, hatte Boot und Söhne vernichtet.
    Er pumpte die Lungen voll Luft. Dann schwamm er um sein Leben. Er hatte fast vier Kilometer bis zur Küste zurückzulegen. Und er glaubte nicht mehr an seine Rettung.
    Mechanisch kämpfte er sich voran, wie ein Roboter.
    Viele Meter hoch rissen ihn die Wellen, warfen ihn in das nächste Tal aus strömendem Gischt.
    Luigi Tresi sah sich nicht um. Er hätte den Anblick des Ungeheuers nicht noch einmal ertragen.
    Die See spielte mit ihm wie mit einem Luftballon, der aufs Wasser niedergegangen war.
    Aber der alte Fischer kam dennoch voran. Zwei Stunden dauerte der erbitterte Kampf gegen die Elemente.
    Dann warf ihn eine Welle der brüllenden Brandung an den Strand.
    Es war der kleine Sandstreifen seiner Heimatinsel, der Insel Lenone, unweit vor der Küste von Sizilien.
    Luigi Tresi lebte, aber er wußte es nicht. Der letzte Schlag der Wellen war wie ein Keulenhieb auf ihn herabgesaust. Da hatte der alte Fischer das Bewußtsein verloren.
    Regungslos blieb er am Strand liegen.
    ***
    Es war Cristina, die Tochter des Alten, die ihn so fand. Sie war unruhig geworden, wie ihre Mutter auch, als die Fischer nicht zur gewohnten Stunde nach Hause kamen.
    Cristina Tresi war zum Strand hinuntergelaufen.
    Jetzt war die Morgendämmerung schon vorbei. Der neue Tag stand über dem Meer und den kargen Inseln.
    Cristina sah aufs Meer hinaus. Kein Boot war zu sehen. Sie legte eine Hand an die Stirn, um von der Morgensonne nicht geblendet zu werden.
    Nein, trotzdem. Es war nichts zu sehen. Nur die hohen Wellenkämme und der weiße Gischt darauf.
    Ihre Unruhe steigerte sich in eine böse Vorahnung, in eine schreckliche Angst.
    Das junge Mädchen kannte die Gefahren des Meeres. Sie waren das Tagesgespräch unter den Männern. Und es gab keinen Mann auf Lenone und den kleinen Nachbarinseln, der nicht dem Beruf eines Fischers nachging.
    Ein Boot und ein fruchtbares Meer. Das war die einzige Lösung für die Menschen, die hier ihr armseliges Leben fristeten. Ein Boot und das fruchtbare Meer. Wer beides nicht hatte, war dem Untergang, dem Verderben ausgesetzt.
    Noch einmal sah das Mädchen über das Meer, in die Richtung, aus der das Boot des Vaters und der beiden Brüder kommen mußte.
    Als Cristina eine halbe Stunde Ausschau gehalten hatte, wurde es ihr zur Gewißheit. Sie würde das Boot nie wiedersehen.
    Und die Männer? Hatte auch sie die erbarmungslose See geschluckt und begraben? Hatten sie den Tod in dem schrecklichen Schlund des Meeres gefunden? Waren sie auf eine der Klippen gelaufen, die tückisch unter der Oberfläche auf ihre Opfer warteten?
    Cristina fand keine Antwort. Aber plötzlich hörte sie etwas.
    Sie sah um sich. Dort, hinter einer kleinen Düne, lag eine reglose Gestalt. Wieder hörte das Mädchen den langgezogenen Laut. Es war das Stöhnen eines Menschen.
    Das Mädchen lief darauf zu. Da erkannte sie beim Näherkommen ihren Vater.
    Sie stieß einen wilden Verzweiflungsschrei aus. Dann warf sie sich neben dem Verletzten auf den Boden. Sie achtete nicht darauf, daß der feuchte, mit Schlick durchsetzte Sand ihre Kleider verschmutzte.
    In langen Stößen ging der Atem des alten Fischers.
    »Padre!« rief das Mädchen immer wieder. Aber es dauerte lange, bis der Vater die Augen öffnete.
    »Du, Cristina?« sagte er mit matter Stimme. »Gut, daß ein Mensch hier ist, nach dieser Hölle.«
    Er sprach wie im Wahn. Seine Augen traten aus den Höhlen, so stark setzte ihm die
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