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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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Unbekannter waren?» verlangte Bayes zu wissen.
«Ach ja», fügte er boshaft hinzu, «nach der lebensechten Beschreibung hätten wir es uns ja denken können.»
«Also, wenn Sie schon einmal hier sind», meinte SmithHartington vom Morning Yell , «sollten Sie jetzt auch den Rest der Geschichte zum besten geben.»
«War es nur ein Scherz?» fragte Judson.
«Natürlich nicht», mischte Pettifer sich ein, noch ehe Lord Peter Zeit zum Antworten gefunden hatte. «Wieso sollte es ein Scherz sein? Wimsey hat schon so viele komische Sachen erlebt, daß er es gar nicht nötig hat, seine Zeit zu vertun und extra noch welche zu erfinden.»
«Stimmt allerdings auch wieder», sagte Bayes. «Das kommt davon, wenn man eine detektivische Ader hat und immer seine Nase in Dinge steckt, die man besser in Ruhe ließe.»
«Schön und gut, Bayes», antwortete Seine Lordschaft, «aber wenn ich Mr. Varden an diesem Abend nicht Bescheid gesagt hätte, wo wäre er dann jetzt?»
«Eben, wo? Genau das wollen wir ja alle wissen», sagte Smith-Hartington. «Los, Wimsey. Keine Ausreden. Wir müssen die Geschichte zu Ende hören.»
«Und zwar die ganze Geschichte», fügte Pettifer hinzu.
«Und nichts als die Geschichte», sagte Armstrong, indem er mit einer geschickten Bewegung Whiskyflasche und Zigarren unter Lord Peters Nase wegschnappte. «Heraus damit, mein Alter. Keinen Zug sollt Ihr rauchen, keinen Trunk sollt Ihr trinken, bis daß Jungfer Ellen befreit sei.»
«Scheusal!» beschwerte sich Seine Lordschaft. «Um die Wahrheit zu sagen», fuhr er dann in verändertem Tonfall fort, «möchte ich diese Geschichte eigentlich nicht zu sehr rundgehen lassen. Sie könnte mich in eine sehr unangenehme Lage bringen – Totschlag wahrscheinlich, vielleicht sogar Mord.»
«Mein Gott!» sagte Bayes.
«Das geht schon klar», sagte Armstrong. «Von uns wird keiner reden. Wir können es uns nämlich nicht leisten, Sie als Clubmitglied zu verlieren. Smith-Hartington wird eben seine Schlagzeilengier einmal bezähmen müssen.»
Nachdem von allen Seiten Diskretion gelobt worden war, lehnte Lord Peter sich also zurück und begann seine Erzählung.
    «Der sonderbare Fall Eric P. Loder belegt wieder einmal, auf welch seltsame Weise irgendeine Macht jenseits unseres unbedeutenden menschlichen Willens die Geschicke der Menschen lenkt. Nennen wir sie Vorsehung – nennen wir sie Schicksal –»
    «Wir nennen das gar nicht», sagte Bayes. «Den Teil können Sie sich sparen.»
    Lord Peter stöhnte und begann von vorn.
«Also, das erste, was mich auf Loder neugierig machte, war eine beiläufige Bemerkung eines Mannes im New Yorker Auswanderungsamt, wo ich gerade dieser dummen Geschichte mit Mrs. Bilt nachging. Der Mann sagte nämlich: ‹Was in aller Welt will Eric Loder denn in Australien? Ich dachte immer, Europa wäre mehr sein Fall.›
    ‹Australien?› fragte ich. ‹Sie müssen sich irren, mein Bester. Er hat mir erst neulich gesagt, daß er in drei Wochen nach Italien will.›
    ‹Italien, nichts da!› sagte er. ‹Erst heute hat er hier das ganze Haus verrückt gemacht und wollte wissen, wie man nach Sydney kommt und was es da für Formalitäten zu erledigen gibt und so weiter.›
    ‹Oh›, sagte ich, ‹dann nimmt er wohl die Pazifikroute und will unterwegs in Sydney Station machen.› Aber es wunderte mich, warum er davon nichts erwähnt hatte, als er am Tag zuvor mit mir sprach. Er hatte eindeutig gesagt, er wolle nach Europa fahren und Paris sehen, bevor er nach Rom Weiterreise.
    Ich wurde derart neugierig, daß ich zwei Tage später hinfuhr und Loder besuchte.
Er schien sich richtig zu freuen, mich zu sehen, und sprudelte förmlich über von seiner bevorstehenden Reise. Ich fragte ihn noch einmal nach seiner Reiseroute, und er antwortete unmißverständlich, er fahre über Paris.
So weit, so gut, und es ging mich ja im Grunde auch nichts an, also wechselten wir das Thema. Er erzählte mir, daß Mr. Varden ihn noch besuchen und eine Weile bei ihm bleiben werde, bevor er fahre, und daß er ihn gerne überreden wolle, ihm Modell zu sitzen, bevor er abreise. Er sagte, er habe noch nie einen so vollkommen gebauten Mann gesehen. ‹Ich wollte ihn schon einmal dafür haben›, sagte er, ‹aber da brach der Krieg aus, und er ging zur Armee, noch ehe ich anfangen konnte.›
Die ganze Zeit lümmelte er sich dabei auf diesem gräßlichen Sofa herum, und als ich mich einmal zufällig zu ihm umdrehte, sah ich ein derart häßliches Glitzern in seinen Augen, daß
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