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Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern

Titel: Wimsey 04 - Der Mann mit dem Kuperfingern
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sitzen. Nun ja, das war eine Art Reklame, für die er auch noch selbst bezahlte, also nahm ich an. Ich hatte ein Engagement bei Mystofilm für Jake aus dem Totenbusch – diesen Zwergenfilm, wissen Sie, der an Ort und Stelle bei den australischen Buschmännern gedreht wurde. Ich schickte denen ein Telegramm, daß ich in der dritten Aprilwoche in Sydney zu ihnen stoßen würde, und zog mit Sack und Pack zu Loder.
    Loder begrüßte mich überaus herzlich, aber ich fand, er war ziemlich gealtert, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Ganz sicher aber war er alles in allem nervöser. Er war – wie soll ich es ausdrücken? – angespannter – in gewisser Weise auch echter. Seine Lieblingssarkasmen brachte er so, als ob er sie durch und durch ernst meinte, und das immer mehr in einem Ton, als meinte er einen damit persönlich. Ich hatte ja immer geglaubt, seine Zweifel an allem seien nur künstlerische Pose, aber ich bekam allmählich das Gefühl, daß ich ihm da unrecht getan hatte. Er war wirklich unglücklich, das sah ich ihm an, und bald fand ich auch den Grund heraus. Während wir in seinem Wagen zu ihm hinausfuhren, fragte ich ihn nach Maria.
    ‹Sie hat mich verlassen›, sagte er.
    Nun, ich muß sagen, das überraschte mich wirklich. Offen gestanden, ich hatte der Frau nicht soviel Initiative zugetraut. ‹Nanu›, sagte ich, ‹hat sie am Ende wirklich dieses Restaurant aufgemacht, das sie sich so sehr wünschte?›
    ‹Ach, hat sie Ihnen etwas von einem Restaurant erzählt?› meinte Loder. ‹Ich glaube, Sie gehören zu den Männern, denen die Frauen sich anvertrauen. Nein, sie hat sich nur lächerlich gemacht. Sie ist fort.›
    Ich wußte nicht recht, was ich darauf sagen sollte. Er war so offensichtlich in seiner Eitelkeit verletzt, ebenso wie in seinen Gefühlen. Ich murmelte die üblichen Floskeln und sagte, das sei wohl ein großer Verlust für seine Arbeit wie auch sonst. Das bejahte er.
    Ich fragte ihn, wann das passiert sei, und ob er denn die Nymphe noch habe fertigstellen können, an der er vor meinem Weggang gearbeitet habe. O ja, sagte er, die habe er noch fertig gemacht, auch noch etwas anderes, ziemlich Originelles, das mir sicher gefallen werde.
    Nun, wir kamen also bei ihm zu Hause an und aßen zu Abend, und er erzählte mir, er werde demnächst nach Europa reisen, genauer gesagt, ein paar Tage nach meiner eigenen Abreise. Die Nymphe stand im Eßzimmer in einer eigens in die Wand eingelassenen Nische. Sie war wirklich schön, nicht so protzig wie die meisten Sachen von ihm, und die Ähnlichkeit mit Maria war sehr groß. Loder setzte mich ihr gegenüber, so daß ich sie beim Abendessen sehen konnte, und ich muß wirklich sagen, ich konnte kaum den Blick davon wenden. Er schien sehr stolz darauf zu sein und sagte mir wieder und wieder, wie sehr es ihn freue, daß sie mir gefalle. Mir fiel auf, daß er sich angewöhnt hatte, sich ständig zu wiederholen.
    Nach dem Essen gingen wir in den Rauchsalon. Diesen hatte er inzwischen anders einrichten lassen, und das erste, was einem ins Auge fiel, war ein großes Sofa vor dem Kamin. Es war einen knappen Meter hoch und war konstruiert ähnlich wie eine altrömische Liege, mit Kissen und hohem Rückenteil, alles aus Eiche mit eingelegtem Silber gefertigt; aber das, worauf man eigentlich sitzt, wenn Sie mir folgen können, bestand aus einer großen, liegenden nackten Frau aus Silber, lebensgroß, mit zurückgeworfenem Kopf, die Arme entlang den Sofaseiten ausgebreitet. Ein paar große lose Kissen machten es möglich, das Ding wirklich als Sitzgelegenheit zu benutzen, obschon ich sagen muß, daß es nicht gerade bequem war, wenn man anständig darauf sitzen wollte. Als Bühnenrequisit, das Ausschweifung symbolisieren sollte, wäre das Ding großartig gewesen, aber wenn man sah, wie Loder sich an seinem Kamin darauf herumflegelte, konnte man schon einen Schrecken bekommen. Er schien aber mit großer Liebe daran zu hängen. ‹Ich sagte Ihnen ja, daß es etwas Originelles sei›, meinte er. Daraufhin schaute ich mir das Ding etwas näher an und sah, daß die Figur tatsächlich Maria darstellte, obschon das Gesicht nur ziemlich grob skizziert war, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich nehme an, er hielt bei einem Möbelstück einen kühneren Schwung für passender.
    Aber mir kam, als ich dieses Sofa sah, doch der Gedanke, daß Loder wohl ein bißchen degeneriert sei. Und in den folgenden vierzehn Tagen wurde mir in seiner Gesellschaft immer unbehaglicher.
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