Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
Vom Netzwerk:
als Prozessstrategie vereinbart, mich kooperativ zu zeigen und soweit wie möglich bei der Wahrheit zu bleiben. Ich machte nur eine einzige Ausnahme: Ich verschwieg alles, was Imke belasten konnte.
    Immerhin hatte ich für die ersten drei Aktionen des Kommandos Jan van Leiden (das Anmalen der Wiedertäuferkäfige, das Säure-Attentat auf das Porträt von Bischof Waldeck und den Anschlag auf die Bistumsbank) Alibis. Meine Anwesenheit am Ludgeriplatz und in der Lambertikirche ließ sich allerdings nicht leugnen, ich erklärte sie mit dem vergeblichen Versuch, Schlimmeres zu verhindern. Da meine Mitangeklagten jegliche Aussagen zur Sache verweigerten, konnte diese Behauptung weder bestätigt noch widerlegt werden.
    Die Zeugenaussage von Monsignore Kratz war leider nicht geeignet, mich zu entlasten. Er sprach von dem Verdacht, den Weihbischof Becker und er von Anfang an in Bezug auf meine Person gehegt hätten. Es sei ihnen so vorgekommen, als würden sie mit einem Mitglied des Kommandos sprechen, besonders bei der letzten Begegnung, in der ich massive Drohungen ausgestoßen hätte.
    Ein paar Pluspunkte sammelte ich, als Professor Walter Rasch vernommen wurde. Der Professor sagte aus, dass ich nicht den Eindruck eines aktiven Mitglieds des Kommandos gemacht habe. Warum hätte ich ihn sonst um Mithilfe bitten sollen, die Systematik der Anschläge zu durchschauen?
    Aufregung auf der Pressebank gab es, als Professor Rasch begründete, warum seiner Meinung nach nicht das echte Waldeck-Porträt beschädigt worden sei. Monsignore Kratz, noch einmal in den Zeugenstand gerufen, musste zugeben, dass zum Zeitpunkt des Säure-Attentats nur eine Kopie in der Domkammer hing. Er begründete dies mit einer routinemäßigen Untersuchung des Originals in einem Restaurationslabor.
    Für einen Moment kam sogar der Staatsanwalt ins Schwimmen. Ich gab Kurz das Zeichen zum Gegenangriff.
    Kurz, ein Mann, der lange Zeit die Hoffnung gehegt hatte, einer der bekanntesten Strafverteidiger der Bundesrepublik zu werden, verfügte über beachtliche rhetorische Fähigkeiten. Und die setzte er jetzt ein.
    »Hohes Gericht«, sagte er, »ich will hier nicht davon ablenken, dass mein Mandant schwere, ja unverzeihliche Fehler begangen hat. Er hat sich in mehreren Situationen falsch verhalten, möglicherweise gelenkt durch persönliche Gefühle. Aber auf der anderen Seite muss sich einem unvoreingenommenen Betrachter doch der Verdacht aufdrängen, dass es aufseiten der Leitung des Bistums Münster nicht nur Mitwisser, nein, sogar Anstifter der Taten des sogenannten Kommandos Jan van Leiden gab.«
    Der Staatsanwalt protestierte, Kurz würde nicht zur Sache reden und außerdem ein vorweggenommenes Plädoyer halten. Der Vorsitzende Richter, ein kleinwüchsiger Mann mit dicker Hornbrille, der Claude Chabrol nicht unähnlich sah, forderte Kurz auf, keine unbegründeten Vorwürfe in den Raum zu stellen.
    »Wenn mir das Hohe Gericht die Gelegenheit dazu gibt, werde ich die Vorwürfe sehr gern begründen«, antwortete Kurz.
    Der Staatsanwalt winkte ab, und der Vorsitzende Richter sagte: »Fahren Sie fort!«
    Und Kurz fuhr fort. Er begann mit der widersprüchlichen Haltung der Kirchenoberen zu Beginn der Erpressung, als Weihbischof Becker der Polizei (hierfür benannte er Hauptkommissar Stürzenbecher als Zeugen) Informationen vorenthalten habe, obwohl niemals die Absicht bestand, die geforderten 500.000 Mark tatsächlich zu zahlen. Ausführlich ging er auf die fadenscheinige Begründung für den Austausch des Waldeck-Porträts ein und kam schließlich auf den anonymen Anruf zu sprechen, den die Polizei vor dem Anschlag am Ludgeriplatz erhalten hatte.
    »Dies alles«, donnerte Kurz, »würde schon ausreichen, um die Haltung gewisser Kirchenmänner in Zweifel zu ziehen. Aber es gibt noch einen anderen, tragischen Vorgang, über den beharrlich der Mantel des Schweigens gebreitet wird: In der Nacht vom 7. auf den 8. April fuhr der Priester und Benediktinermönch Stefan Rogall, besser bekannt als Bruder Martin, bei klarem Wetter und trockenen Straßenverhältnissen gegen einen Brückenpfeiler auf der Autobahn A 1. Auch wenn der letztendliche Beweis fehlt, dass es sich bei diesem tödlichen Unfall um einen Freitod handelte, sprechen doch viele Anzeichen dafür. Denn Bruder Martin war Mitglied des Kommandos Jan van Leiden.«
    An dieser Stelle entstand im Gerichtssaal eine merkliche Unruhe, und der Staatsanwalt rief: »Wie können Sie so etwas behaupten?«
    »Mein Mandant
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher