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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
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Kantine. ›Stehst du vor der Tür und kommst nicht rein, ruf einfach an bei Schlosser Wellenstein!‹ Netter Trick.«
    »Warum hat er nicht funktioniert?«
    »Man glaubt gar nicht, wie misstrauisch alte Damen sein können. In deinem Fall hat sie bei Schlosser Wellenstein angerufen.«
    »Reality-TV verdirbt halt den Charakter.«
    »Darf ich das als Geständnis werten?«
    »Als sachdienlichen Hinweis. Frank gehört zum Kommando Jan van Leiden. Nach Bruder Martin ist er mein zweiter Maulwurf-Kandidat.«
    »Beweise?«
    »Niente. Aber eine Hausdurchsuchung könnte nicht schaden.«
    »Fein.« Stürzenbecher rieb sich die Hände. »Du fängst an zu kooperieren, Wilsberg. Warum nicht gleich so?«
    »Weil ich mir dabei so mies vorkomme.«
    Stürzenbecher beantragte eine Hausdurchsuchung, und ich wartete das Ergebnis in seinem Büro ab. Irgendwelche Indizien für Franks Mitgliedschaft beim Kommando Jan van Leiden wurden nicht gefunden. Dafür entdeckten Spurensicherungsexperten auf dem Küchentisch Partikel eines hochexplosiven tschechischen Sprengstoffs. Der Reporter selbst war wie vom Erdboden verschluckt.
    Den späten Nachmittag und Abend trieb ich mich in der Nähe der Lambertikirche herum. Man konnte es Intuition nennen oder einfach darauf verweisen, dass die alte Markt- und Bürgerkirche neben dem Dom das bedeutendste Gotteshaus Münsters war. Ganz egal, neben irgendeiner Kirche zu stehen war mir immer noch lieber, als mir zu Hause die Decke auf den Kopf fallen zu lassen.
    Bald hatte ich die beiden mit Einkaufstüten getarnten Zivilpolizisten identifiziert, die ab und zu den Standort wechselten und mit wachsamen Blicken das Terrain sondierten. Rund um den Lamberti-Brunnen auf dem Kirchenvorplatz hockten Gruppen von Pennern und Junkies, die zur Feier des überraschend milden Frühlingstages Wein- und Fuselflaschen kreisen ließen. Und direkt vor der Südseite der großen Hallenkirche baute eine Schar von ›Christen gegen den Weltuntergang‹ ihren Stand und eine Lautsprecheranlage auf. Kurz darauf schmetterte sie zu Gitarrenklängen »When Jesus comes« in die Mikrofone.
    Mit einem Plastikbecher Kaffee aus der Filiale des Kaffeerösters, der neben Fahrrädern, Bestecken, Schwimmflossen und Schmuck auch noch Kaffee verkaufte, schlenderte ich über den Kirchplatz. Da ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte, beglückte ich eine Christin gegen den Weltuntergang mit einer Antwort auf die Frage, ob ich glücklich sei: »Nein.«
    »Das habe ich gleich gemerkt.«
    »Sie haben aber ein feines Gespür«, lobte ich sie.
    »Menschen, die glücklich sind, strahlen von innen heraus.«
    »Und ich?«
    »Bei Ihnen, nun, spürt man eine Mauer. Sie sind irgendwie gefangen. Sie haben noch nicht den Weg zu …«
    »Was ist denn mit Ihnen? Sind Sie glücklich?«
    »Oh ja«, strahlte sie von innen heraus. »Christus hat mich glücklich gemacht.«
    Ich senkte die Stimme. »Können wir uns nicht zusammentun? Ich meine, wenn Sie glücklich sind und ich bin unglücklich, dann wären wir beide zusammen doch halb glücklich.«
    Das Strahlen mutierte zu einer hilflosen Grimasse, die einen fulminanten Überbiss enthüllte. »Zusammentun?«
    »Ja. Wir beide. Nur Sie und ich.«
    Ihre Mundwinkel zuckten. Dann drehte sie den Kopf halb nach hinten. »Michael, würdest du bitte mal kommen!«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte ich. »War ja nur eine Frage.«
    Er entdeckte mich zuerst. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie eine Gestalt hinter einer Säule wegtauchte, als ich zum hundertsten oder zweihundertsten Mal die Arkaden des Roggenmarktes nach einer verdächtigen Erscheinung absuchte. Ich ließ ihn in dem Glauben, unbemerkt geblieben zu sein, und machte einen mittelgroßen Umweg: über den Prinzipalmarkt, dann am Domplatz vorbei und durch die kleine Gasse zurück zum Roggenmarkt. Jetzt befand ich mich fünf Meter hinter seinem Rücken.
    Tobias Frank hatte den Kopf in den Nacken gelegt und blickte mit angestrengtem Gesichtsausdruck zum Turm der Lambertikirche hinauf. Bevor er reagieren konnte, hatte ich seinen dünnen rechten Arm auf den schmächtigen Rücken gepresst.
    Er jaulte auf.
    »Ist der Sprengstoff schon im Turm?«, zischte ich.
    »Was für 'n Sprengstoff?«
    Ich drückte den Arm weiter nach oben. Er gab Laute von sich, die besser zu einem kranken Hund gepasst hätten, und machte einen halbherzigen Versuch, meinem Griff zu entkommen. Mit einer trockenen Linken auf die Niere brachte ich ihn zur Besinnung.
    »Du tust mir weh«, jammerte er.
    »Ein
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