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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
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Vorgeschmack auf das, was dich erwartet, wenn du nicht sofort redest.«
    Er leckte die Lippen und linste nach links und rechts. Es war schon nach zehn und die Straße fast menschenleer. Aber nur fast. Zu seiner Hoffnung und meiner Besorgnis näherte sich eine Gruppe von Schaufensterbummlern.
    Um jegliches Zeitspiel zu unterbinden, schob ich ihn in die dunkle Seitengasse. Dann warf ich ihn gegen eine Hauswand und drehte den Arm bis hinauf zum Halswirbel. Ein sehr ungesundes Knacken war zu hören.
    »Neeeeiiiin«, gurgelte er. »Du hast mir den Arm gebrochen.«
    »Rede endlich!«
    »Ich werde ohnmächtig.«
    Ich ließ den rechten Arm fallen und packte den linken. »Du glaubst gar nicht, was ein Mensch aushält.«
    »Nein, bitte nicht, nicht auch noch den anderen Arm!«
    »Also?«
    »Imke ist da oben.«
    Ich lockerte den Griff etwas. »Wer ist Imke?«
    »Meine Schwester.«
    »Mareike?«
    »Nein. Imke.«
    Endlich kapierte ich. Tori-Marion-Mareike hieß in Wirklichkeit Imke. Obwohl ich die Antwort längst kannte, stellte ich die Frage trotzdem: »Was macht sie da oben?«
    »Sie deponiert die Sprengladung.«
    Ich fluchte. »Konntet ihr keinen anderen finden?«
    »Sie wollte es.«
    »Verdammt noch mal, ich habe ihr gesagt, sie soll die Finger davon lassen.«
    Er keuchte. »Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann lässt sie sich durch niemanden davon abhalten.«
    »Und du? Konntest du dir nicht an drei Fingern abzählen, dass es zu gefährlich ist?«
    »Sie hat gesagt, sie macht es notfalls auch alleine.«
    Ich überlegte. »Wann geht das Zeug hoch?«
    »Der Zeitzünder ist auf halb elf eingestellt.«
    Ich guckte auf die Uhr. Noch zehn Minuten.
    Tobias Frank atmete schwer. »Ist doch halb so wild. Wir wollen ja selbst nicht, dass der ganze Turm runterkommt. Die Menge ist so berechnet, dass allenfalls im Inneren was kaputtgeht.«
    »Und was ist mit dem Türmer?«
    Ich drehte ihn um.
    »Oh oh ah ah ah.« Er hielt den herabbaumelnden rechten Arm fest, kippte mit dem Rücken gegen die Wand und rutschte daran entlang, bis er auf dem Boden saß. »Den haben wir vergessen.«
    Während ich über die Straße und zum Hauptportal der Lambertikirche rannte, gingen mir mehrere Sachen durch den Kopf. Ich sah, wie einer der beiden Zivilpolizisten zu seinem Funkgerät griff. Dann dachte ich daran, dass der Türmer genau um halb elf auf dem Turm stehen würde, um, wie zu jeder halben und vollen Stunde zwischen 22 und 24 Uhr, in sein Krummhorn zu blasen. Und ich versuchte einen Weg zu finden, wie ich Mareike (an den neuen Namen wollte ich mich so schnell nicht gewöhnen) samt Sprengstoff unbemerkt aus der Kirche schaffen konnte.
    Das Hauptportal war geöffnet. Ich kam in den großen, schwach beleuchteten Innenraum und blickte mich um. Links von mir befanden sich mehrere Türen. Eine davon musste in den Turm hinaufführen.
    Ich rüttelte an der ersten. Verschlossen. Bei der zweiten hatte ich mehr Glück. Der fahle Lichtschein fiel auf eine steinerne Wendeltreppe.
    Ich hastete die Treppe hinauf. Mein Herz pochte vor Anstrengung und Aufregung wie ein Trabbimotor. Je höher ich kam, desto dunkler wurde es. Bald sah ich nicht mal mehr die Treppenwand und musste mich mit der rechten Hand abstützen.
    Irgendwann erreichte ich einen Treppenabsatz, den ich als solchen natürlich nicht erkannte, kam ins Stolpern und knallte prompt gegen eine Wand. Bevor ich mich wieder orientieren konnte, rauschte etwas Schweres in mich hinein, das mich umwarf. Ich schrie auf, griff in ein Kleidungsstück, riss ein Stück Stoff heraus und fiel auf den Hinterkopf.
    Benommen blieb ich liegen.
    Ein Lichtstrahl blitzte auf und leuchtete mir ins Gesicht. »Georg, was machst du denn hier?«
    »Mareike«, röchelte ich. »Sprengstoff. Holen.«
    »Komm, ich helfe dir. Wir müssen hier weg.«
    »Türmer. Nicht.«
    »Ich verstehe dich nicht.«
    In meinem Kopf explodierte gerade eine Supernova, aber ich biss die Zähne zusammen. »In der Turmspitze ist noch jemand.«
    »Wer denn?«
    »Der Türmer.«
    »Nein!«
    »Doch. Jeden Abend.«
    Der Lichtstrahl wanderte zu ihrer Armbanduhr. »Noch fünf Minuten.«
    Ich rappelte mich hoch. »Ich hole den Sprengstoff. Sag mir, wo er sich befindet!«
    »Du findest ihn nicht. Warte hier!«
    Sie verschwand wieder nach oben. Ich wollte hinter ihr her, aber ein Welle von Übelkeit überrollte mich. Meine Beine knickten ein, ich landete auf den Knien. Es war lächerlich, absolut lächerlich. Gerade in dem Moment, wo es darauf ankam,
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