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Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer

Titel: Wilsberg 05 - Wilsberg und die Wiedertaeufer
Autoren: Juergen Kehrer
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kann das bezeugen«, fertigte ihn Kurz ab.
    »Ha!«, meckerte der Staatsanwalt. »Ein schöner Zeuge, den Sie da haben.«
    Der Vorsitzende Richter klopfte auf den Tisch. »Ruhe bitte!«
    »Möglicherweise«, fuhr Kurz fort, »hat Bruder Martin einen Abschiedsbrief hinterlassen. Möglicherweise könnte dieser Brief den Tathergang, die Verstrickungen und auch die Zwangslage, in die sich Bruder Martin gedrängt fühlte, aufklären. Ja, der gesamte Prozess könnte durch diesen Brief eine andere Wendung erhalten. Ich fordere daher die Verantwortlichen des Bistums und des Klosters Rosmalen auf, dem Hohen Gericht alle Informationen zur Verfügung zu stellen, die mit dem Tod des Bruder Martin in Verbindung stehen.«
    »Das sind doch alles nur Vermutungen«, maulte der Staatsanwalt und beantragte eine einwöchige Verhandlungsunterbrechung, um sich mit der neuen Sachlage zu beschäftigen. Der Vorsitzende Richter stimmte zu.
    Als wir abgeführt wurden, hielt Monsignore Kratz meinem Blick nicht nur stand, nein, ich glaubte sogar, eine Spur von Hohn in seinem Gesicht zu erkennen. Da wusste ich, dass ich verloren hatte.
    Eine Woche später trat der Prior des Klosters Rosmalen, ein älterer, rundlicher Mann mit sorgfältig gestutztem Bart, in den Zeugenstand. Eingangs bekundete er seine Überraschung, überhaupt als Zeuge in diesem Prozess vorgeladen worden zu sein. Aber wenn er helfen könne, die Wahrheit aufzuklären, sei er natürlich gerne bereit, seiner Staatsbürgerpflicht nachzukommen.
    Der Vorsitzende Richter nickte wohlwollend und stellte dann die Frage, was der Prior über den Tod des Bruder Martin wisse.
    Der schreckliche Unfall habe die Klostergemeinschaft tief getroffen, antwortete der Prior. Vermutungen, die ihm zu Ohr gekommen seien, dass es sich dabei möglicherweise um einen Freitod gehandelt habe, könne er jedoch nicht bestätigen. Bruder Martin habe nichts hinterlassen und sich auch keinem der anderen Brüder anvertraut. Ja, er wolle sogar so weit gehen, einen Freitod dezidiert auszuschließen.
    Kurz nahm den Prior in die Mangel, und dieser musste einräumen, dass es in der Zeit vor dessen Tod einige Auseinandersetzungen mit Bruder Martin gegeben habe. Martin habe auffallend oft um eine Sondererlaubnis zum Verlassen des Klosters gebeten, und ihm, dem Prior, seien Zweifel an der Glaubensfestigkeit Martins gekommen. So habe es ihn auch nicht überrascht, als Martin darum ersuchte, mit einem klostereigenen Pkw zur Erzabtei in Süddeutschland fahren zu dürfen. Schließlich sei der Abt der Erzabtei der engste Vertraute Martins gewesen.
    Als letzter Zeuge machte Weihbischof Becker seine Aussage. Empört wies er alle Verdächtigungen zurück, die Kirche sei in irgendeiner Form in die Untaten der Wiedertäufer involviert. Ein solcher Gedanke – und dabei malträtierte er den Zeugentisch mit heftigen Faustschlägen – könne nur den kranken Gehirnen notorischer Kirchenfeinde und Atheisten entspringen.
    Nach energischem Protest von Kurz bat der Vorsitzende Richter den Weihbischof um Mäßigung.
    Prompt entschuldigte sich Becker. Er habe niemanden beleidigen wollen, aber die Kirche müsse sich dagegen wehren, in den Sumpf der Liederlichkeit und Unmoral hinabgezogen zu werden, der in der Gesellschaft herrsche. Und, zumindest in dieser Beziehung, sei er ein kämpferischer Christ.
    Damit war die Beweisaufnahme beendet. Die Rechtsanwälte und der Staatsanwalt hielten ihre Plädoyers, und das Gericht zog sich zur Beratung zurück.
    Dirk und André wurden zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, Tobias Frank und Imke erhielten jeweils fünf Jahre. In meinem Fall wurde die Untersuchungshaft angerechnet und der Rest der zweijährigen Gefängnisstrafe zur Bewährung ausgesetzt.

XXI
    Als ich zu dem Haus im Kreuzviertel kam, in dem ich fünfzehn Jahre gewohnt hatte, war mein Name vom Klingelbrett verschwunden. Ich drückte auf die Klingel, neben der er früher gestanden hatte, und eine resolute Blondine mit großen roten Flecken auf den Wangen und zwei kleinen Kindern an den Beinen bat mich freundlich herein. Es würde ihr sehr leid tun, dass ich auf diese Weise meine Wohnung verloren hätte. Andererseits müsse ich verstehen, dass ihr Mann, die beiden Kinder und sie sich hier pudelwohl fühlen würden, für die beiden Kinder sei der Garten das reinste Paradies. Und für einen allein, dabei zwinkerte sie mir zu, sei die Wohnung doch sowieso viel zu groß.
    Ich erkundigte mich nach meinen Möbeln, und sie antwortete, dass meine
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