Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken
Autoren: Lene Kaaberbol
Vom Netzwerk:
einen Zettel hingelegt und bist verschwunden.« Sie holte tief Luft. »Versuch, dir nur für eine Sekunde vorzustellen, ich hätte dasselbe getan. Ich wäre eines Abends aus der Wohnung geschlichen und hätte nur einen Zettel dagelassen, auf dem steht, dass du dir keine Sorgen machen sollst. Und dann wäre ich anderthalb Tage weggeblieben, ohne auch nur eine SMS zu schicken. Wie würde es dir da gehen, was meinst du?«
    So was machen Mütter nicht. Das war mein erster Gedanke, und um ein Haar hätte ich es laut gesagt.
    »Mein Telefon ging nicht«, sagte ich kleinlaut.
    »Warst du bei Isa?«, fragte Mama. »Warst du da? War es ihre Schuld?«
    »Nein … oder ja, gewissermaßen. Tante Isa war auch da, aber …«
    Mein Vater schaute von einer zur anderen, als würde er ein Tennismatch verfolgen. Er runzelte die Stirn.
    »Was ist das für eine Sache mit Isa?«, sagte er. »Ich dachte, ihr hättet kaum Kontakt?«
    Aber die Tatsache, dass wenigstens ein Erwachsener involviert gewesen war, schien ihn zu beruhigen.
    »Tante Isa hat uns sehr geholfen«, sagte ich. »Mama, das weißt du auch. Als ich letzten Herbst krank war, da … wäre Tante Isa nicht gewesen …«
    Ich sah, wie meine Mutter mit sich kämpfte. Wäre es möglich gewesen, sich einfach etwas zu wünschen, was dann auch in Erfüllung ging, ich glaube, sie hätte Tante Isa und die ganze wilde Welt mit einem lang gezogenen Puuuuuuffff verschwinden lassen. Es gab Zeiten, besonders im letzten Jahr, wo ich dasselbe getan hätte. Aber jetzt … ich wollte nicht mehr auf Tante Isa verzichten. Oder auf Kater. Auf Tumpe, Stjerne und Nichts, den Turmfalken, Fetzenohr und …
    Tatsächlich wollte ich nichts und niemanden aus der wilden Welt missen. Doch, vielleicht Chimära. Die konnte mir gerne gestohlen bleiben.
    »Ich mag Tante Isa«, sagte ich bestimmt.
    »Das ist doch gut«, sagte Papa ein bisschen verwirrt. Ich glaube, ihm war klar, dass hier irgendetwas vor sich ging, von dem er nichts wusste. »Vielleicht sollte ich mich mal mit deiner Tante Isa treffen? Bald. Damit ich weiß, was du … erlebst … wenn du bei ihr bist.«
    »Isa lebt ein bisschen anders als wir«, sagte meine Mutter.
    »Was meinst du?«, fragte er.
    »Sie wohnt … sehr ländlich. Mehr so … im Einklang mit der Natur.«
    »Das macht doch nichts«, sagte Papa. »Es schadet doch nicht, wenn unsere Tochter erfährt, dass es verschiedene Lebensweisen gibt?«
    Mama rang sichtlich mit dem Bedürfnis, ihm zu erklären, worin genau Tante Isas Andersartigkeit bestand, aber ich wusste auch, dass sie es nicht tun würde. Sie hatte so viele Jahre dafür gekämpft, dass wir ganz einfach gewöhnliche, normale, unhexige Menschen waren, und genauso viele Jahre für sich behalten, dass sie eine Schwester hatte, die man nun wirklich nur als Hexe bezeichnen konnte. Das war kein Geheimnis, das sie hier und jetzt zu lüften gedachte.
    »Es tut mir leid, wenn du dir meinetwegen Sorgen gemacht hast, Papa«, sagte ich und umarmte ihn. »Das wollte ich nicht.«
    »Ja, ja, Mäuschen«, sagte er und gab mir einen Kuss auf die Haare irgendwo über meinem rechten Ohr. »Hauptsache, du machst so was nie wieder. Ja?«
    Hier endete die Diskussion, aber ich konnte sie gedämpft im Wohnzimmer reden hören, nachdem sie dachten, ich wäre eingeschlafen. Papa konnte einfach nicht verstehen, warum Mama etwas gegen Tante Isa hatte.
    »Ja, aber ist sie denn komplett verantwortungslos oder so?«
    »Nein«, sagte Mama. »Das kann man nicht behaupten. Nur ziemlich … alternativ.«
    »Plumpsklo und Korbflechten?«
    »Fast.«
    »Clara mag sie und scheint davon zu profitieren, mit ihr zusammen zu sein.«
    »Du verstehst das nicht. Ich kenne meine Schwester besser als du. Du verstehst gar nichts …«
    »Nein, das sagst du ja immer. Aber ich glaube, eins verstehe ich trotzdem: Es wäre sehr, sehr dumm von dir, Clara zu verbieten, ihre Tante zu sehen. Gib ihr die Erlaubnis und uns bleiben Panik, Verschwinde-Aktionen und herzzerreißende kleine Zettel erspart.«
    Mama sagte nichts. Eine lange Zeit sagte sie kein Wort. Ich gähnte, rollte mich auf die Seite und spürte, wie müde ich war. Aber als ich die Augen zumachte, wurde alles dunkelrot, und rote Schatten mit scharfen Krallen und Zähnen krochen auf mich zu.
    »Kater?«, flüsterte ich in die Dunkelheit. »Kater, kannst du nicht kommen … und ein bisschen bei mir bleiben?«
    »Und wenn ich dir jetzt sagen würde …« Es war die Stimme meiner Mutter aus dem Wohnzimmer, ein bisschen zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher