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0381 - Die schwebenden Leichen von Prag

0381 - Die schwebenden Leichen von Prag

Titel: 0381 - Die schwebenden Leichen von Prag
Autoren: Jason Dark
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Es war eine Nacht, wie man sie nur selten erlebt. So lau, frühlingshaft, einfach wunderbar. Noch war die Wärme des vergangenen Tages überall zu spüren. Jedes Blatt, jede Blüte oder Blume schien sie aufgesaugt zu haben, um sie für eine Weile speichern zu können, damit sie anschließend wieder abgegeben werden konnte und somit einsame Spaziergänger oder romantisch veranlagte Pärchen erfreute. Endlich hatte der Sommer Einzug gehalten. Nach dem langen, schneereichen Winter war es Zeit geworden. Die Menschen in der Stadt atmeten wieder auf. Man holte die Sommerkleider hervor und nahm auch die persönlichen Einschränkungen, die ein kommunistisches System zwangsläufig mit sich bringt, nicht mehr als so tragisch, sondern viel gelassener hin. Selbst die Moldau, dieser vielbesungene und beschriebene Fluß stank nicht so wie an anderen Tagen.
    Frühling lag über der Stadt, und auch der dunkelblaue Nachthimmel schien dies zu spüren, denn er sah aus wie fein gerippter Samt, auf dem zahlreiche kleine Steine lagen, die wie Diamanten blitzend und doch nur zu den weit entfernten Sternen zählten.
    Kaum einer wäre auf die Idee gekommen, daß diese Nacht auch etwas anderes als den Frühling und die laue Nachtluft bereithielt.
    Wer dachte da schon an den Tod, an Leichen oder wilde, vermoderte Friedhöfe?
    Doch nur Verrückte oder Menschen, die einen Sinn fürs Makabre hatten. Wie der junge Mann, der völlig normal aussah und über eine schmale Straße am Stadtrand von Prag schritt. Er zog einen beladenen Handwagen hinter sich her. Leider war die Ladung von einer Plane verdeckt.
    Der junge Mann nannte sich Student, studierte aber nur selten.
    Normalerweise wartete er auf Jobs, es war ihm auch egal, welcher Art diese Arbeit war. Er nahm alles an. Sogar Kurierdienste über die »grüne« Grenze nach Deutschland hatte er schon geleistet. Das war ihm dann doch zu heiß gewesen, auch wenn es viel Geld eingebracht hatte.
    Geld brauchte er immer.
    Nur durch ausländische Devisen konnte man sich in seinem Land etwas leisten, deshalb hatte er auch nicht gezögert, als er eines Nachts in einem Prager Bierkeller von einem Unbekannten angesprochen und mit einem 100-Mark-Schein geködert wurde.
    Das war viel Geld in der Tschechei.
    Der Vorschlag des ihm fremden Mannes allerdings hatte ihn zunächst einmal vorsichtig werden lassen. Denn es wurde einiges von ihm verlangt, wenn es auch nicht schwierig war, aber er mußte zunächst einmal eine gewisse innere Hemmschwelle überwinden.
    Er sollte etwas stehlen.
    Weder ein Auto, Geld noch Schmuck – ganz etwas anderes, was eigentlich schon tot war und womit sich wohl kaum jemand – außer seinem Auftraggeber abgab.
    Leichen sollte er stehlen!
    Drei Tote aus dem Leichenhaus klauen. Das war ihm bisher auch noch nicht passiert.
    Nach zwei weiteren Schnäpsen hatte er zugestimmt, sich den alten Handwagen besorgt und war eine Nacht später zu einem genau angegebenen Leichenhaus gefahren.
    Alles hatte geklappt. Der Wächter der Leichenhalle hockte in seiner Kabine und war eingeschlafen.
    Sechsmal war er an dem Mann vorbeigegangen. Dreimal hin, dreimal wieder zurück. Und er hatte es geschafft, die drei Leichen unbeobachtet aus der kühlen Totenkammer zu holen. Sie trugen noch ihre weißen, schmucklosen Totenhemden.
    Es waren drei Männer.
    Zwei ältere mit weißen Haaren und einer mittleren Alters der eine spiegelblanke Glatze hatte. Sie lagen jetzt auf dem Wagen und waren gut von der Plane verborgen worden.
    Den Namen seines Auftraggebers wußte der Student noch immer nicht. Dafür knisterte als Anzahlung die Hälfte seines Honorars in der rechten Hosentasche. Die zweite Hälfte würde er bekommen, wenn er die Leichen sicher ablieferte.
    Ein Treffpunkt war ebenfalls ausgemacht worden. Er lag sehr einsam am Stadtrand von Prag, wo keine Häuser standen, sich dafür ausgedehnte Waldflächen hinzogen und nur hin und wieder ein Förster patrouillierte. Sicherlich nicht während der Nachtstunden.
    Der Weg wurde noch enger. Bald verschwand auch die Asphaltschicht, so daß er mehr einer staubigen Schotterstraße glich, die mit zahlreichen Schlaglöchern und Querrinnen überdeckt war. Deshalb rumpelte der Wagen auch so, und manchmal sprang er regelrecht hoch, wenn er besonders heftig gezogen wurde.
    Das störte höchstens den Studenten, die Toten nicht mehr. Sie brauchte nichts mehr zu kümmern.
    Er hatte mit seinem Auftraggeber ein Zeichen abgemacht. Dreimal sollte eine Taschenlampe aufblitzen, dann
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