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Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken

Titel: Wildhexe 2 - Die Botschaft des Falken
Autoren: Lene Kaaberbol
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Behörden und die Ordnungsmacht erfinden.
    Oscars Ausrede war nicht die schlechteste, denn sie war einfach, leicht zu merken und darüberhinaus sogar wahr – irgendwie jedenfalls. Es fehlten höchstens ein paar Kleinigkeiten.
    »Über zwei Tage lang?«, sagte der Polizist mit hochgezogenen Augenbrauen. »Und in der ganzen Zeit ist es dir nicht in den Sinn gekommen, zu Hause anzurufen oder einen Erwachsenen anzusprechen?«
    »Äh … ich war alle«, sagte Oscar und zog seine Ärmel weit nach unten, um die Haifischvogelbisse zu verdecken. »Das heißt, also … mein Telefon meine ich. Kein Akku. Kein Netz. Beides!«
    Der Polizist schaute Oscar an. Dann Oscars Mutter. Und dann wieder Oscar. Es war nicht zu übersehen, dass er den Verdacht hatte, dass Oscar von zu Hause abgehauen war, um sich mit einer ganzen Reihe von Dingen zu befassen, mit denen zwölfjährige Jungs sich besser nicht befassen sollten. Klebstoff schnüffeln, Autos klauen oder seltsame Rollenspiele spielen. So was in der Art.
    »Und du, junge Dame? Möchtest du auch eine Erklärung abgeben?«
    Die junge Dame war ich. Ich schaute auf die Spitzen meiner Gummistiefel und räusperte mich ein paarmal.
    »Nein«, sagte ich. »Das heißt … ich habe ihm ja nur geholfen, Luffe zu suchen.«
    Der Polizist seufzte und klappte seinen Notizblock zu.
    »Ja, ja«, sagte er. »Jetzt seid ihr ja beide wieder wohlbehalten zu Hause. Aber dass mir das nicht noch mal passiert. Verstanden?!«
    Wir nickten beide so heftig, dass es sicher so aussah, als würden unsere Köpfe abfallen.
    Der Polizist verabschiedete sich von Oscars Mutter, warf Luffe einen bösen Blick zu, der seiner Meinung nach offenbar auch seinen Teil der Schuld übernehmen sollte, und ging dann die Treppe hinunter, während er in sein Funkgerät sprach und irgendeine Meldung ans Revier machte. Das war die Polizei, dachte ich. Jetzt fehlte nur noch Oscars Mutter … und meine.
    Wir waren erst zu Oscar nach Hause gegangen, weil er am längsten verschwunden war. Ich hatte Mama eine SMS geschrieben, damit sie wusste, dass alles in Ordnung und ich auf dem Heimweg war. Aber ich freute mich trotzdem nicht darauf, mir anzuhören, was sie dazu zu sagen hatte.
    Oscar sah auch nicht so aus, als wäre er scharf darauf, mit seiner Mutter alleine zu sein. Es war sonnenklar, dass sie sich nicht mit der »Ich musste Luffe suchen«-Begründung zufriedengeben würde.
    Ihr Gesicht war wie erstarrt, als müsste sie sich unheimlich beherrschen, um nicht loszuweinen, -zuschreien oder mit Möbeln um sich zu werfen.
    »Du gehst jetzt nach Hause«, sagte sie zu mir. Dann zeigte sie mit einem ungewöhnlich spitzen Zeigefinger auf Oscar. »Und du gehst ins Bad. Danach erwarte ich eine richtig gute Erklärung von dir.«
    Ich grübelte immer noch, was er ihr erzählen wollte. Die Wahrheit war so … unglaubwürdig. Seine Mutter hatte keine Wildhexe zur Schwester. Das Wildeste, was man in Oscars Familie je unternommen hatte, war vermutlich hier und da ein Ausflug in den Zoo. Sollte er versuchen, ihr zu erklären, was wirklich passiert war – die wilden Wege, Haifischvögel, Blutkunst und das alles –, dann würde sie vermutlich davon ausgehen, dass er sie belog. Oder komplett durchgeknallt war. Aber was sollte er sonst sagen?
    Vielleicht hatte ich Glück, weil meine Mutter mir wenigstens glauben würde.
    »Hallo!«, rief ich in der Diele.
    Es kam keine Antwort, obwohl Licht brannte und ich das leise Murmeln irgendeines Nachrichtensenders im Fernseher hörte.
    Meine Mutter saß am einen Ende des Sofas. Am anderen saß mein Vater. Er drückte auf die Fernbedienung und schaltete den Fernseher aus, als ich ins Zimmer kam.
    »Wo wart ihr?«, fragte er. »Was um alles in der Welt ist passiert, Clara?«
    Ich stand nur mit offenem Mund da und wusste nicht, was ich sagen sollte. Bei der ganzen Sache hier hatte ich überhaupt nicht an meinen Vater gedacht. Ich war so daran gewöhnt, dass er nicht da war, oder besser gesagt, dass er in der Schublade steckte, auf der »Kastanjevej« und »Ferienvater« stand. Nicht einen Augenblick lang hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, was ich ihm sagen sollte.
    Ich warf meiner Mutter einen verzweifelten Seitenblick zu. Hatte sie Tante Isa und die wilde Welt erwähnt, während ich weg war? Oder wusste mein Vater noch genauso wenig wie Oscars Mutter?
    »Oscars Hund ist weggelaufen …«, sagte ich vorsichtig.
    »Du hast nur einen Zettel hingelegt«, sagte Mama, und ihre Stimmer zitterte. »Clara, du hast
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