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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen
Autoren: Christiane Sadlo
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Ding einzulassen.«
    Aber wie egal war ihm das damals alles gewesen. Dieses junge Mädchen, in das er sich verliebt hatte und das seine Liebe erwiderte, hatte ihm den Weg zurück ins Leben gezeigt. Mit ihrer Lebenslust, mit ihrem Lachen, ja auch mit der naiven Schamlosigkeit, mit der sie Leons sexuelle Leidenschaft wieder entfacht hatte und auch heute, vierundzwanzig Jahre später, immer noch entfachte.
    Â»Komm rein.«
    Er öffnete die Tür und blieb stehen. Wie so oft wurde er von ihrem Anblick überwältigt. Im schimmernden Licht einer Fortuny-Lampe stand Claire in der Wanne wie die schaumgeborene Venus. Ihr Körper war immer noch straff und makellos, ihre kleinen Brüste perfekt gerundet, ihre Hüften fast knabenhaft schmal. An den langen Beinen lief der Schaum hinunter, während sie sich die Haare trocken rubbelte.
    Â»Es ist schon fast sieben. Ich hab befürchtet, dass du mal wieder eingeschlafen bist.«
    Â»War ich auch«, lachte sie leise. »Du kommst gerade richtig.«
    Er kam auf sie zu. Nahm das Handtuch, das auf dem Stuhl neben der Wanne lag, hielt es hoch. Sie stieg aus der Wanne und ließ sich von ihm mit einem leisen Seufzer in das Handtuch hüllen. Leon trocknete seine Frau mit sanften Bewegungen ab. Folgte behutsam den Linien ihres Körpers. Und konnte sich nicht dagegen wehren, dass die Erregung in ihm erwachte.
    Claire spürte Leons wachsende Lust. Sie drängte sich eng an ihn. Öffnete das Handtuch, ließ es zu Boden rutschen. Sie zog ihn auf die Chaiselongue, die in der Nähe des Fensters stand, gegen das noch immer der Regen prasselte. Sie lächelte zufrieden, als Leon wenig später mit einem Seufzer in sie eindrang. Wie gut, dass er sie immer noch begehrte. Wie gut, dass sie es schaffte, ihn wenigstens für eine Weile die Erinnerungen an jenen vierten September vergessen zu lassen. Die Kerzen flackerten unruhig, während Leon Menec seine Frau liebte. Er merkte nicht, dass sie mit den Gedanken nicht bei ihm war. Auch nicht, dass die leisen erregten Seufzer heute nicht ganz echt klangen.
6
    Als wäre sie durch eine geheimnisvolle Macht gegen das Wüten des Sturms gefeit, schritt die weiß gekleidete Frau durch den kleinen Eichenwald. Wie ein weißer Schatten folgte ihr Merlin, ihr Hund, auch er unbeeindruckt vom bösen Geheul des Windes, der fauchend an den alten Bäumen riss, die seit Jahrhunderten in den bretonischen Himmel ragten.
    Die Leute in der Gegend glaubten, dass Céline Marchand eine Druidin war. Eine weise Frau, die über Wunderkräfte verfügte und in einer mystischen Verbindung zu den Naturgöttern stand. Ihre alterslose Schönheit, der tiefe Blick aus ihren schwarzen Augen, mit dem sie den Menschen in die Seele zu blicken schien, ihr Wissen um die Heilkräfte der Natur, das alles machte sie zu einer geheimnisumwitterten Außenseiterin, der man sich jedoch in der Not anvertrauen konnte und von der man sich egal bei welchen Leiden auch immer Linderung erwarten konnte. Schon lange wunderten sich die Bewohner des kargen Landstrichs am Ende der Welt nicht mehr darüber, wenn sie Céline in ihrem weißen langen Kleid bei jedem Wetter in den Wäldern begegneten. Während die anderen sich Schutz suchend in ihre Häuser flüchteten, schien sich Céline mit den Gewalten der Natur geradezu zu verbünden. Weder der Sturm noch der peitschende Regen schien ihr je etwas anhaben zu können. Unbeirrt ging sie unter den alten Eichen ihren Weg, deren dicken Äste unter der Wucht der Windböen ächzten und knirschten. Blätter wirbelten um sie herum, kleine Äste wurden vom Sturm herabgerissen und fielen dicht neben ihr zu Boden. Doch nichts davon konnte Céline etwas anhaben. Hin und wieder bückte sie sich, sammelte herabgefallene Mistelzweige in ihren Korb, schabte ein wenig graues Moos von einem Baum und barg es in einer weißen Papiertüte. Auch die Blätter der Maiglöckchen schnitt sie mit ihrem kleinen Messer ab und legte sie in den Korb. Sie ließ ihren Blick über das graue Meer schweifen, lauschte dem Branden der Wellen, dem Tosen des Sturms. Ihr Blick war furchtlos, ihre Haltung aufrecht. Es war schon lange her, dass Céline ihre Angst verloren hatte. Es gab nichts mehr, wovor sie sich fürchtete. Wieso auch? Ihr Herz war vor vielen Jahren gebrochen, damals, als sie die schwerste Entscheidung ihres Lebens getroffen hatte. Damals hatte sie eine kurze
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