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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen
Autoren: Christiane Sadlo
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Arm geklemmt hatte. Er hielt vor dem fünfstöckigen alten Bürgerhaus, in dem seine Freundin Sara wohnte, stieg ab, nahm den Helm vom Kopf und fuhr sich durch die ungebärdigen Haare. Er wollte gerade klingeln, da öffnete sich die Tür, und Sara stand vor ihm.
    Â»Zu spät, wie immer.« Sara versuchte, ihn mit einem bösen Blick anzusehen. Doch als sie den zerknirschten Ausdruck auf seinem Gesicht sah, war es wieder einmal um sie geschehen.
    Â»Ich hab im Stau gestanden, tut mir leid.«
    Stau! Sie wusste ganz genau, dass er sich mal wieder nicht von seiner Arbeit hatte lösen können. Wie oft hatte sie sich schon vorgenommen, ihm diese kleinen Unpünktlichkeiten nicht mehr zu verzeihen. Doch wenn er dann vor ihr stand und sie mit seinen dunkelblauen Augen um Verzeihung heischend anblickte, war es immer das Gleiche. Sie konnte ihm einfach nicht böse sein.
    Sie warf sich ihm in die Arme, drückte ihm einen heftigen Kuss auf die Lippen. Er lachte, hielt sie ein wenig von sich weg, sah in das schöne junge Gesicht mit dem ausdrucksvollen Mund, den sie wie immer ein wenig zu rot geschminkt hatte, und den großen blauen Augen, die strahlten wie die eines Kindes.
    Â»Unfassbar, dass du schon dreiundzwanzig bist. Du siehst immer noch aus wie achtzehn.«
    Â»Wie achtzehn. Danke für das Kompliment. Du hast keine Ahnung, wie ich mit achtzehn ausgesehen habe. Ich war grausam fett, hatte Pickel und trug dauernd diese bunten Hippiekleider und den fürchterlichen Federschmuck, den man auf dem Flohmarkt am Montmartre für einen Euro kaufen konnte. Hippieklamotten! Das musst du dir mal vorstellen. Ich war so was von out.« Sie umarmte ihn lachend. Er drückte ihr die Rosen in die Arme.
    Â»Sah bestimmt süß aus. Happy birthday! Ich wünsche dir alles Gute, mon amour. Mögen alle deine geheimen Träume in Erfüllung gehen!«
    Â»Das Einzige, was ich mir wirklich wünsche, kann mir nur einer erfüllen. Und der weigert sich.« Sara verzog ihren hübschen Mund zu einer Schnute. Paul verkniff sich einen Seufzer. Nicht schon wieder. Sie hatten das Thema schon so oft durchgekaut. Er hatte keine Lust, schon wieder darauf einzugehen. Nicht an diesem herrlichen Abend. Nicht an Saras Geburtstag. Es war sowieso sinnlos. Sie wollte ihn ja doch nicht verstehen.
    Â»Komm jetzt, die anderen warten schon.« Er drückte ihr den zweiten Helm, den er immer dabei hatte, in die Hand. Sie zögerte nur einen Moment. Doch eigentlich hatte sie auch keine Lust, sich ihren Geburtstag mit einem Streit zu verderben. Heute wollte sie nur mit ihren Freunden feiern. Und morgen würde sie wieder versuchen, Paul doch noch von seinem absurden Plan abzubringen. Sie hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass er in Paris bleiben würde. Bei ihr. Vielleicht, wenn sie ihn ein wenig erpresste? Ihm drohte, sich einen anderen zu suchen, wenn er sie hier einfach zurückließ? Sie wischte die Gedanken mit einem Kopfschütteln weg. Heute war ihr Geburtstag. Und der sollte wie immer der schönste Tag des Jahres werden.
    Als Paul den Schlüssel in das Schloss steckte und die Maschine anließ, fiel Saras Blick auf diesen seltsamen Anhänger, der an einem Ring baumelte. Paul hatte ihr erklärt, dass es eine Nachbildung des Menhir von Kerloas war. Komisch. Solche Dinger konnte man wahrscheinlich in jedem blöden Souvenirladen kaufen. Es war nichts anderes als Kitsch. Dass ein seriöser Wissenschaftler wie Paul, der sich beruflich mit den Geheimnissen der Menhire und Steingräber in der ganzen Welt befasste, sich so ein blödes Ding an den Schlüssel hing, konnte sie nicht verstehen. Er hatte etwas von einem Erinnerungsstück gemurmelt, als sie ihn einmal darauf angesprochen hatte. Und dass sie ihm doch einfach seine sentimentale Ecke lassen sollte. Sara hatte sich gefügt. Irgendwann würde sie schon herausbekommen, welche Frau ihm diesen Kitsch geschenkt hatte.
    Hubert Polin trank den letzten Schluck Whisky aus der Flasche und zündete sich eine Zigarette an. Das Streichholzheftchen, von dem er längst vergessen hatte, wie es in die Tasche seiner Jacke gekommen war, ließ er achtlos zu Boden fallen. Er starrte auf das Foto, das auf dem Beifahrersitz des roten Citroën lag. Sah gar nicht unsympathisch aus, der Typ. Bisschen jung für einen Universitätsdozenten vielleicht. Keine Ahnung. Was wusste ein Junkie wie er schon davon, wie man in der Uni
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