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Wilde Wellen

Wilde Wellen

Titel: Wilde Wellen
Autoren: Christiane Sadlo
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noch? Wieso bist du nicht tot? Ich habe dich doch erschossen.«
    Ein Raunen ging durch die Menge. Was hatte sie gesagt? Dass sie auf Leon geschossen hatte? Seine eigene Frau hatte versucht, ihn zu ermorden? Claire, die schöne, elegante, liebenswürdige Claire Menec hatte ihren Mann töten wollen.
    Â»Du hättest mehr trainieren müssen, Claire. So hat Sabine mich rechtzeitig gefunden. Ich vermute, sie hat mir das Leben gerettet.«
    In diesem Moment wusste Claire, dass alles verloren war. Eine unheimliche Ruhe ging von ihr aus, als sie auf Leon zutrat und mit gesenkter Stimme sagte, dass sie ihn nie geliebt habe. Es war ihr immer nur um ihren Sohn gegangen.
    Das einzige Wesen auf der Welt, das es wert gewesen war, geliebt zu werden.
    Â»Ich habe alles für ihn getan. Für deinen einzigen Sohn, Leon.«
    Zu aller Erstaunen wandte sie sich nun an Paul, der den Arm um Marie gelegt hatte und das Schauspiel, das ihnen Claire bot ebenso fasziniert wie angewidert beobachtet wie die anderen Leute auch.
    Â»Sie haben kein Recht auf Leons Erbe.« Ein böses Lachen entfuhr ihrer Kehle. »Und stellen Sie sich vor, es gibt auch nichts mehr zu erben. Nichts, rien, nothing, nada. Sie haben sich falsche Hoffnungen gemacht, Monsieur Racine. Ihr Vater hat Sie nicht nur Ihr Leben lang verleugnet, er hat auch dafür gesorgt, dass weder Caspar noch ich noch Eva noch Sie auch nur einen Cent erben werden.«
11
    Der Frühling kam mit lauen Winden über das Land. Tausende von Narzissen und Veilchen blühten unter den Eichen, die Schafe weideten sich an dem jungen, saftigen Gras, das frisch um die Menhire sprießte. Michel Dumont holte zum letzten Mal die Zeitung, die der Bote jeden Tag vor der Tür des Café du Port deponierte. Der Gastraum war schon leer, gestern hatten die Stühle und Tische, das Geschirr und die Töpfe bei einer Auktion neue Besitzer gefunden. Marie und Paul kamen mit frischen Croissants zum letzten gemeinsamen Frühstück. Merlin sah Michel mit traurigem Hundeblick an.
    Â»Hast du es gelesen, Papa, Claire ist gestern verurteilt worden. Zwanzig Jahre Gefängnis und danach Sicherheitsverwahrung. Sie wird den Rest ihres Lebens hinter Gittern verbringen.«
    Michel schenkte Kaffee in ihre Tassen, den sie auf der Mauer vor dem Lokal sitzend tranken.
    Â»Wie hat sie es nur geschafft uns alle mehr als zwanzig Jahre lang zu täuschen? Sie war so schön. So charmant. Und so unheimlich verliebt in Leon. Sie schien Caspar die beste Mutter zu sein, die man sich vorstellen kann.«
    Den ganzen langen Winter hatten die Menschen von Concarneau fast täglich neue Einzelheiten über die grausamen Taten der Claire Menec erhalten. Es hatte sie fassungslos gemacht. Zu erfahren, dass es Claire gewesen war, die Céline Marchand getötet hatte und versucht hatte, Michel die Schuld in die Schuhe zu schieben. Zu hören, dass sie tatsächlich auf ihren Mann geschossen hatte und ihn im Meer versenken wollte. Als die Polizei aber um Weihnachten herum in Claires Zimmer eine Streichholzschachtel aus dem Pariser Hotel Ritz gefunden hatten und Marie sich daran erinnert hatte, dass man auch bei Hubert Polin, dem Junkie, der auf sie geschossen hatte, eins dieser Streichholzheftchen gefunden hatte, musste die Anklage ein weiteres Mal verändert werden. Denn als sie die Spur einmal aufgenommen hatte, fand die Polizei schnell heraus, dass Hubert Polin nicht ein zufälliger Amokläufer gewesen war. Sondern dass er an jenem Tag, als er von Marie und ihrem Kollegen Jean angehalten worden war, auf dem Weg war, einen Auftrag von Claire Menec auszuführen: Er sollte einen jungen Wissenschaftler namens Paul Racine töten, der, wie sich herausstellte, nicht nur der Sohn von Céline Marchand, sondern auch ihres Chefs Leon Menec war.
    So hatte also nicht nur Paul an jenem schicksalhaften Tag Marie das Leben gerettet. Auch sie hatte durch den Versuch, den rasenden Amokfahrer zu stoppen, verhindert, dass er seinen Auftrag ausführen konnte. Und damit Paul das Leben gerettet.
    Leon hatte gestanden, dass er am Untergang der Helena schuld gewesen war. Michel hatte gestanden, dass er zwar nicht Mittäter, aber doch ein nachträglicher Mitwisser war. Michel war freigesprochen worden. Leon war zu einer hohen Geldstrafe und fünf Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt worden. Am Tag nach dem Urteil hatte er sich in einen Flieger nach Südamerika gesetzt, der über dem
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