Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wilde Erdbeeren

Wilde Erdbeeren

Titel: Wilde Erdbeeren
Autoren: Edna Meare
Vom Netzwerk:
feinen Reste der Obstnote des Kleidersprays und des Muffs.
    Phillip warf ihr nur einen prüfenden kurzen Blick zu, der keine Emotionen erkennen ließ. Melanie hätte ebenso gut einer der Überwachungscomputer sein können, die zum Inventar der OPs gehörten und bei denen man beim Vorbeigehen rasch mal schaut, ob der Monitor ein- oder ausgeschaltet ist. Sie selbst konnte nicht so empfinden, denn Phil sah in seinem weißen Dinnerjacket wieder einmal umwerfend aus. Beinahe wäre ihr ein Wort der Anerkennung herausgerutscht, aber er drehte sich abrupt um, kaum dass sie die letzte Treppenstufe erreicht hatte, riss die Verbindungstür auf und ging in die Garage.

Kapitel 3
    Die Fahrt in das elegante Villenviertel verlief in vollkommenem Schweigen. Phillip hatte sofort den CD-Player eingeschaltet, das Tschaikowskykonzert, das aus den Lautsprechern dröhnte, machte jede Unterhaltung unmöglich.
    Schon von weitem konnte Melanie den Ort der Party erkennen, denn die gesamte Vorortstraße war rechts und links von parkenden Limousinen gesäumt und auch in der Auffahrt zur Villa standen Autos.
    Die Gartenparty bei Prof. Sollwedel war berühmt. Hier trafen sich die Größen der Stadt, auch ein paar Lokalpolitiker und Stars aus TV und Film tummelten sich unter den Gästen. Wer hierher eingeladen wurde hatte es geschafft und kein Arzt der Klinik, den das Glück einer Einladung ereilte, hätte es sich erlaubt, nicht zu erscheinen. Allerdings brauchte Phillip nicht zu befürchten, irgendwelchen Medizinstudenten oder Assistenzärzten zu begegnen, denn man war erst ab dem Status eines Oberarztes würdig, mit dem Klinikchef dessen Geburtstag zu feiern – wenn überhaupt!
    Es fanden die üblichen Rituale statt: Begrüßungsfloskeln, falsches Lächeln, Händeschütteln, Griff nach dem Sektglas, das irgendein Lakai einem reichte, und Smalltalk bis der Professor endlich das Büfett eröffnete. Auf der zusammenlegbaren Bühne, die Handwerker mitten auf der gepflegten Wiese aufgebaut hatten, stand eine vierköpfige Band und spielte abwechselnd Oldies und gemäßigte moderne Hits, die dem gediegenen Geschmack der feinen Gäste entsprachen. Später fanden sich nach und nach Paare ein, die sich in perfekter Tanzstundenhaltung über die improvisierte Tanzfläche bewegten.
    Inzwischen hatte sich die Nacht über den Park gesenkt. Melanie saß wie fast in jedem Jahr um diese Zeit mit einigen anderen Damen auf der Terrasse und sah zu dem sternenübersäten Himmel hinauf.
    Um sie herum lachten und schwatzten die Society-Ladies, die Herren hatten sich unten auf dem Grün zu kleinen Gruppen gefunden und diskutierten Tagesereignisse, Börsenkurse, Fachprobleme oder was Männer sonst noch so interessiert.
    Auf dem Tanzpodest drehten sich immer noch Pärchen. Melanie brauchte nicht hinzuschauen, um zu wissen, dass Phillip gerade eine kurvige Rothaarige an sich drückte, die in einem auffallend grünen Kleid steckte. Wie sie da hineingekommen war, war Melanie ein Rätsel. Wahrscheinlich hatte jemand sie hineingeschossen. Auf jeden Fall war die Rote eines dieser jungen Dinger, die Phil gerne mal zwischendurch vernaschte und richtig, als Melanie schließlich erneut zur Tanzfläche sah, war das Paar verschwunden. Wahrscheinlich vögelte Phil das grüne Kleid gerade hinter den Brombeerbüschen im hinteren Teil des Gartens oder in irgendeinem Zimmer der Villa.
    Langsam legte Melanie erneut ihren Kopf zurück und blickte nach oben. Die Lichterkette über ihr hatte etwas Symbolisches. Sie bestand aus hellbraunen Plastik-Kamelen (ein Mitbringsel der Professorengattin von ihrem letzten Ägyptenurlaub), die in dem warmen Nachtwind sachte hin und her schaukelten. Ja, sie war wirklich ein Riesenkamel, dass sie sich Phillips Eskapaden immer weiter gefallen ließ. Aber…
    „Tanzen Sie gar nicht?“ Die dunkle Stimme dicht an ihrem Ohr riss Melanie abrupt aus ihren Gedanken. Sie schreckte auf und bemerkte, dass das Gespräch am Tisch verstummt war. Alle starten auf den Herrn im nachtblauen Smoking, der auf Melanie hinuntersah.
    Er war groß, schlank und hatte ein markant geschnittenes Gesicht, unter dessen etwas zu großer Nase ein Lächeln schwebte.
    „Wie, was?“ Verwirrt schüttelte Melanie den Kopf.
    Das Lächeln vertiefte sich. Nein, schön war dieser Mann nicht, befand Melanie. Aber interessant. Besonders die silberne Strähne, die in seinem ansonsten fülligen, dunklen Haaren glitzerten.
    Er beugte sich leicht vor, ergriff Melanies Hand und zog sie von ihrem
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher