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Wilde Erdbeeren

Wilde Erdbeeren

Titel: Wilde Erdbeeren
Autoren: Edna Meare
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Entschlossen schob sie die Papiere zusammen und legte sie in einen Koffer. „Ich habe keine Lust mehr, mit dir zu leben. Ab jetzt gehe ich meinen eigenen Weg.“
    Phillip lachte erneut, diesmal ohne zu husten.
    „Ach ja?“, fragte er höhnisch. „Und wovon willst du leben? Du hast keinen Beruf, nur einen einfachen Schulabschluss, damit kannst du bestenfalls Putzfrau werden. Obwohl…“ Seine vom nächtlichen Alkoholgenuss tränenden Augen musterte Melanie boshaft, „das wird der einzige Beruf sein, in dem du arbeiten kannst. Siehst ja schon aus wie eine Parkettfee.“
    „Mach dir keine Sorgen, ich werde schon über die Runden kommen“, erwiderte Melanie und verscheuchte eine Wespe, die durchs Fenster ins Zimmer geflogen war und nun vor ihrem Gesicht herumschwirrte.
    Phillip trat den Rückzug an. Aber er musste einfach noch ein paar seiner Bissigkeiten loswerden, ehe er in die Sicherheit seines Schlafzimmers zurückkehrte.
    „Die Frage ist nur: wie“, grinste er. „Von mir bekommst du keinen Cent. Glaub mir, dafür wird mein Anwalt sorgen. Er hat bisher noch jeden Prozess und jede Regressforderung niedergeboxt. Da wird er mit einer dummen Gans wie dir überhaupt keine Probleme haben.“
    „Warten wir es ab“, antwortete Melanie erneut. Sie hatte sich geschworen, auf keine seiner Provokationen einzugehen und tatsächlich schaffte sie es, ein Teil nach dem anderen in die Koffer zu legen.
    „Der Wagen bleibt hier“, schoss Phillip seinen letzten Pfeil ab. Er machte kehrt, sah dabei aber noch zu ihr. „Ich habe ihn bezahlt, mein Name steht im…au, verdammt!“
    Erschrocken hob er seinen rechten Fuß, dann ließ er sich schwer auf das Bett fallen, mitten zwischen die Koffer.
    „Irgendwas hat mich gestochen!“, rief er panisch. „Guck nach, guck nach, war es eine Wespe?“
    Melanie tat ihm den Gefallen. Sie ging zu Tür, bückte sich und trat auf das Insekt, das halbtot auf dem Boden herumtaumelte.
    „Ja, es war eine Wespe“, antwortete sie ihrem Mann. „Wo ist dein Spritzentui?“
    „Im Schlafzimmer.“ Phillips Gesicht begann anzuschwellen. „Auf dem Nachttisch. Los. Mach, beeil dich und steh da nicht herum, wie eine Kuh wenn’s donnert.“
    Melanie wirbelte herum und rannte los, aber nach einigen Schritten blieb sie stehen. Langsam kehrte sie ins Schlafzimmer zurück und begann alles einzusammeln, was sie zusammengetragen hatte.
    Phillip sah ihr ungläubig, nach Luft gierend, dabei zu.

Kapitel 6
    Die Beerdigung hätte wahrscheinlich seinem Ego geschmeichelt. Der Friedhof war schwarz von Menschen gewesen: Kollegen, ehemalige Patienten, Freunde, Bekannte, ein paar Promis, ganz vorne Martha, völlig gebrochen am Arm ihrer Pflegerin und neben ihr, schlicht und still Melanie in ihrem edlen schwarzen Leinenkleid.
    Jetzt bedeckten rund ein Meter Erde und winzige Immergrün sein Grab. Demnächst würde er einen schönen Stein erhalten. Das Aufstellen desselben würde Melanie allerdings nicht miterleben, weil sie inzwischen in einem schönen Haus am Gardasee wohnte, wo sie sich der Malerei widmete, die sie wegen Phillip lange vernachlässigt hatte. Sie konnte es sich leisten, denn ihre finanzielle Lage erlaubte ihr eine gewisse Freiheit.
    Zwischen den Felsen, die schroff zum See hin abfielen bewegte sich etwas. Melanie beugte sich vor. Als sie den gut aussehenden Mann erkannte, der mit elastischen Schritten die steile Treppe zur Terrasse heraufstieg, erschien ein glückliches Lächeln auf ihrem Gesicht. Ihr junger Adonis sah göttlich aus in der knappen Badehose. Auf seiner von der Sonne gebräunten, straffen Haut glitzerten Millionen Wassertropfen, deutlich konnte sie bei jeder seiner Bewegungen das Spiel seiner Muskeln beobachten. Gleich, gleich würde er bei ihr sein, sie in seine Arme nehmen und küssen, bis…
    Ach ja, das Leben konnte schön sein, wenn man es schaffte, sich von seinen drängendsten Problemen zu befreien.

Über die Autorin
    Edna Meare, vielen Leserinnen und Lesern besser als Ednor Mier bekannt, geboren in Berlin, wollte eigentlich Sängerin werden. Um ihr Studium zu finanzieren, schrieb sie Kurzgeschichten für verschiedene Illustrierte und eine große Berliner Tageszeitung. Nach einem turbulenten Jahr in London, diversen Auftritten mit einer Band und einigen Jahren als ‚Familienmanagerin’ wandte sie sich ganz dem Schreiben zu. Seit 1986 arbeitet sie als freie Autorin für verschiedene deutschsprachige Verlage und hat in dieser Zeit über 400 Romane, Kurzgeschichten und
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