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Wilde Erdbeeren

Wilde Erdbeeren

Titel: Wilde Erdbeeren
Autoren: Edna Meare
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Stuhl. Kraft brauchte er dafür nicht anzuwenden, denn Melanie glitt sozusagen von ihrem Sitz und folgte ihm widerstandslos zur Tanzfläche, auf der sich immer noch einige Paare drehten. Phillip und sein grünes Kleiderwunder waren nicht darunter, wie Melanie mit einem raschen Blick feststellte. Doch die Gedanken an die beiden flogen auf und davon, wie eine Schar Vögel von einer Überlandleitung, als der Fremde sie in seine Arme nahm. Seine Aura, die Sinnlichkeit, die er ausstrahlte, nahm sie augenblicklich gefangen und ließen sie alles vergessen, was sie den Tag über bewegt hatte.
    Die Band spielte einen Blues. Es gelang Melanie mühelos, sich den Bewegungen ihres Partners anzupassen und sich mit ihm in vollkommener Harmonie über die Tanzfläche zu bewegen. Ohne nachzudenken, legte sie ihren Kopf an seine Schulter und spürte beglückt das Spiel seiner Muskeln, die sie durch den Stoff seiner teuren Kleidung spüren konnte.
    Es war ewig lange her, seit sie einem Mann derart nahe gewesen war. Phillip kam nur noch in ihr Bett, wenn er gerade mal keine Geliebte hatte und auch sonst keine andere Frau bereit war, mit ihm zu schlafen. Doch diese Begegnungen hatten nichts erotisch Erregendes an sich sondern glichen einer sportlichen Übung, bei der Phillip überflüssige sexuelle Energien abbaute. Er legte sich Melanie in eine für ihn bequeme Positur, schob ihre Schenkel auseinander und drang mit einem einzigen heftigen Stoß in sie ein, was ihr jedes Mal Schmerzen bereitete, weil sie noch vollkommen trocken war. Dann rackerte er sich ein paar Minütchen auf ihr ab, um dann mit einem Grunzlaut abzuspritzen und anschließend von ihr herunterzurollen. Meist nahm er sich danach nicht mal die Zeit, zu warten bis sich seine Atmung reguliert hatte, sondern er verließ umgehend das Zimmer, ohne wenigstens ein kleines verbindliches Wort an Melanie zu richten.
    Inzwischen war sie davon überzeugt gewesen, überhaupt keine sexuellen Gefühle mehr zu haben. Doch als sie jetzt in den Armen des Fremden über die Tanzfläche schwebte, erwachte das längst vergessen geglaubte Verlangen in ihr, so stark, dass Melanie fürchtete, ihr Gegenüber könnte ihr feuchtes Höschen riechen. Als sie den Kopf hob, um ihn mit einem prüfenden Blick zu mustern, beugte er sich ein wenig zu ihr und rieb seine Wange an ihrem Haar. Die zarte Berührung reichte aus, ihre Ängste zu zerstreuen. Melanie gab sich wieder der Musik und vor allem der süßen Lust hin, die der Fremde in ihr entfachte.
    Die Band wechselte zu einem neuen Stück, ebenfalls ein Blues, was Melanie allerdings gar nicht bemerkte. Sie hätte ewig so tanzen können, eng an den geheimnisvollen Mann geschmiegt und umgeben von dem Duft seines herben Parfüms, der sie nun wohl auf immer an diesen Traumprinzen erinnern würde. Irgendwann, Melanie hatte längst Zeit und Umgebung vergessen, löste der faszinierende Fremde seine Arme von ihr und schob sie ein Stück von sich. Wie erwachend blickte sie sich um, ein fröstelnder Schauer rann über ihren Rücken. Zugleich empfand sie ein Gefühl tiefer Enttäuschung. Sie fühlte sich regelrecht beraubt und wäre um ein Haar in Tränen ausgebrochen, wenn der Fremde sie nicht wieder ein wenig näher gezogen und seinen Arm um ihre Taille gelegt hätte.
    Er neigte den Kopf.
    „Lass uns von hier verschwinden“, raunte er ihr ins Ohr. Seine Lippen kitzelten die empfindliche Muschel, was in ihrem Unterleib ein heftiges Prickeln auslöste.
    „Oh, ja…“ Das Atmen fiel ihr auf einmal schwer. Doch dann setzte ihr Verstand ein. „Aber…“, hob Melanie zu einer Ansage an, während ihre Blicke hastig den Garten und die Terrasse absuchten. Von Phillip und dem grünen Kleid war immer noch nichts zu sehen.
    Der Fremde legte ihr seinen Zeigefinger über die Lippen.
    „Kein aber.“ Ein verführerischer Klang schwang in seiner samtdunklen Stimme mit. „Komm, überlege nicht lange.“
    Sie hätte ‚nein‘ rufen und sich gegen seine Zudringlichkeit wehren sollen. Aber Melanie tat nichts dergleichen. Sie ließ sich einfach mitziehen, quer über den Rasen und um die halbe Villa herum zum Vorplatz, der sich inzwischen geleert hatte.
    Und auf einmal war es ihr egal, was in dieser Nacht geschah. Selbst wenn sie sich in Gefahr brachte, war das, was sie gerade erlebte immer noch besser als das, was zu Hause auf sie wartete: Ein leeres Schlafzimmer und ein Gatte, der irgendwann betrunken und nach einer anderen Frau riechend durchs Haus stolperte.
    Der Fremde
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