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Wie eine Rose im Morgentau

Wie eine Rose im Morgentau

Titel: Wie eine Rose im Morgentau
Autoren: Daphne Clair
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1. KAPITEL
    „Rachel?“ Bryn Donovans dunkle Brauen zogen sich zusammen, als er dem Blick seiner Mutter begegnete. Er beugte sich ein wenig in dem altertümlichen Ohrensessel aus dunkelgrünem Samt vor. „Du meinst doch nicht Rachel Moore?“
    Überrascht spreizte Pearl, Lady Donovan, die Hände. Ihre zerbrechlich wirkende Gestalt schien in dem großen Sessel zu versinken, der ihrem Sohn gegenüber neben dem Kamin stand.
    „Warum nicht?“ Ihr herzförmiger Mund verzog sich auf eine Weise, die Bryn nur zu gut kannte. Hinter der zarten Fassade und den künstlich aufgehellten blonden Locken verbargen sich ein wacher Geist und ein ungebrochener Wille.
    „Sie ist noch ziemlich jung, nicht wahr?“, gab Bryn zu bedenken.
    Pearl lachte, wie es sich nur eine Mutter bei ihrem immerhin vierunddreißigjährigen Sohn erlauben konnte. Ein Mann, der in Neuseelands Wirtschaft fast überall große Anerkennung fand. Die wenigen Gegner, die er hatte, waren entweder frühere Angestellte, die seinen hohen Standards nicht mehr entsprochen hatten oder Konkurrenten, die es nicht ertragen konnten, dass er das Familienunternehmen seit seiner Übernahme so erfolgreich führte.
    „Bryn“, tadelte sie, „es ist zehn Jahre her, seit ihre Familie uns verlassen hat. Rachel ist inzwischen eine hochqualifizierte Historikerin. Ich habe dir doch erzählt, dass sie ein Buch geschrieben hat. Ich glaube, inzwischen sind es sogar zwei.“
    Er konnte seiner Mutter wohl kaum sagen, dass er alle Informationen über diese Frau aus seinem Gedächtnis gelöscht hatte.
    Doch Pearl ließ nicht locker. „Du weißt, dass dein Vater immer vorhatte, eine Familienchronik zu schreiben.“
    „Ja, er hat es erwähnt.“ Es war eines der Projekte, die sein alter Herr sich für den Ruhestand vorgenommen hatte, bis eine anscheinend harmlose Vorliebe für die besten Weine und Liköre plötzlich ihre todbringende Rache gefordert hatte.
    „Nun, ich will es als Andenken für ihn tun“, erklärte seine Witwe und hob entschieden ihr Kinn. „Ich dachte, du würdest dich darüber freuen.“ Ein verdächtiger Schimmer verklärte ihren Blick.
    Bryn, der als nüchterner, aber nicht gewissenloser Geschäftsmann bekannt war, war gegen eine solche Form des weiblichen Angriffs nicht gefeit. Nachdem seine Mutter anderthalb Jahre getrauert hatte, zeigte sie jetzt zumindest wieder aufrichtiges Interesse an einer Sache. Sie wirkte an diesem Tag auch nicht so angespannt wie sonst, und ihre Bewegungen hatten eine Entschiedenheit wie seit dem Tod seines Vaters nicht mehr.
    Es war ganz allein sein Problem, dass er mit Schuldgefühlen aufwachte, wenn er gelegentlich von der kaum siebzehnjährigen Rachel träumte, mit ihren wilden dunklen Haaren, den vertrauensvoll dreinblickenden braunen Augen und dem schockierend aufreizenden Mund. Doch all das war gewiss kein Grund, das neue Vorhaben seiner Mutter abzuschmettern.
    „Ich dachte, sie ist in Amerika“, warf er ein. Nachdem Rachel ihren Magister in Englisch und Geschichte gemacht hatte, war sie für ein Zusatzstudium in die Staaten gegangen und unterrichtete nun an der Universität.
    „Sie ist wieder da.“ Pearl wirkte zufrieden. „Sie hat einen Lehrauftrag in Auckland, der nächstes Jahr beginnt, aber sie braucht etwas, um die Zeit zu überbrücken. Das ist doch ideal, zudem sie ja keine Fremde für uns ist. Sie kann hier wohnen …“
    „Hier? Sind ihre Eltern denn nicht …“ Als ihre Tochter mit dem Studium begann, hatten der frühere Gutsverwalter und seine Frau sich in der Region Waikato dem sogenannten Sharemilking angeschlossen, bei dem Melker und Landwirt sich den Erlös bei der Milch teilten. Bryn hatte angenommen, dass der einzige Kontakt zwischen den Familien darin bestand, sich zu Weihnachten eine Karte zu schicken und Neuigkeiten auszutauschen. Doch seine Mutter hatte von jeher gern lange Telefonate geführt.
    „Sie ist im Moment bei ihnen“, erklärte Lady Donovan, „und kann in einer oder zwei Wochen anfangen. Schließlich muss sie Zugang zu unseren Familienaufzeichnungen haben, und ich möchte die Unterlagen nur ungern aus dem Haus geben.“ Sie wirkte nun ein wenig besorgt. „Natürlich wird das einiges kosten …“
    „Kein Problem“, versicherte Bryn und musste sich widerstrebend geschlagen geben. „Wenn sie den Job überhaupt will.“ Mit ein bisschen Glück würde Rachel ablehnen.
    Ein strahlendes Lächeln erhellte Pearls Gesicht. „Ihre Mutter und ich haben schon alles arrangiert.“
    Rachel hatte
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