Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt
Autoren: Catherine Coulter
Vom Netzwerk:
entschlossen. »Wollen mich die Ghule auch dann, wenn ich nicht in dem Kreis stehe? Oder wenn Sie mich vorher mit Ihrer Knarre da erschossen haben? Wollen sie mich dann auch noch?«
    »Tja, das werden wir ja gleich sehen, nicht wahr?« Tammy hob die Pistole und richtete sie auf Lilys Gesicht.
     
    Simon wünschte, er säße auf seinem Motorrad und könnte sich durch den dichten Vormittagsverkehr schlängeln. Wieso hatte Savich keine verdammte Sirene? Wieso waren um diese Zeit überhaupt schon so viele Leute unterwegs?
    Als sich endlich eine Lücke im Verkehr auftat, trat Savich hart aufs Gas. Simon warf einen Blick aus dem Heckfenster und sah, wie ihnen sechs schwarze FBI-Wagen rasch folgten.
    »Sherlock«, sagte er, und das Herz schlug ihm bis zum Hals, »wir werden bald da sein. Erzähl mir alles, was du über Tammy weißt.«
     
    Langsam ließ Tammy die Waffe sinken. »Hältst dich wohl für besonders schlau, wie?«
    Lily schüttelte langsam den Kopf. Sie war so erleichtert, dass ihr fast schlecht wurde. Sie war darauf gefasst gewesen, eine Kugel in den Kopf zu bekommen und zu sterben. Aus, vorbei. Ein kurzes Fingerzucken, und sie war tot. Aber sie war noch da, noch am Leben, war noch hier mit Tammy, die allerdings nach wie vor diese hässliche Pistole in der Hand hatte.
    Der Kreis – es schien, als wolle Tammy sie unbedingt lebend in diesem Kreis haben. »Wo ist Marilyn? Sie ist Ihre Cousine, stimmt’s?«
    »Du fragst nach meiner süßen kleinen Cousine? Mit der bin ich im Augenblick gar nicht zufrieden. Denn weißt du, sie hat deinem Bruder alles über mich verraten. Und dann hat er sie als Köder benutzt. Ganz schön skrupellos von ihm. Ich mag das bei einem Kerl. Sie hat auf mich gewartet, ganz offen, in diesem Flughafen, hat neben dieser blöden Agentin gestanden, die sie beschützen sollte. Vor mir. Was für ein Witz! Hab der Nutte die Kehle durchgeschnitten, und alle haben gesehen, wie’s ein irrer junger Kerl tat. Alle haben’s geglaubt, aber in Wirklichkeit war ich das.
    Du willst wissen, wieso ich deinen Bruder hasse? Ist nicht schwer zu verstehen. Er hat meinen Bruder umgebracht, hat mir den Arm abgeschossen, der hing nur noch an ein paar Muskeln; ich hab ihn da hängen sehen und dachte, jetzt sterbe ich. Und dann haben sie mich an dieses Bett geschnallt, weil dein Bruder denen erzählt hat, ich sei so eine Art Monster, und dann haben sie mir den Arm amputiert, und ich bin fast dran krepiert. Das alles bloß wegen deinem verfickten Bruder.«
    Dann flippte Tammy völlig aus. Sie warf den Kopf zurück und schrie zur Decke hinauf: »Ein gottverdammter Arm! Schau mich doch an – der Scheißärmel ist leer! Bin fast an ’ner Infektion gestorben, zur Hölle mit ihm. Er hat mir den Arm abgeschossen! Wenn ich die Ghule auf dich gehetzt habe, wenn sie von dir nur noch einen blutleeren Fleischklumpen übrig gelassen haben, dann hole ich ihn mir, ich hole ihn mir, HOLE IHN MIR!«
    Lily hielt den Mund, versuchte sich so weit zu fassen, dass sie an ihren Fesseln arbeiten konnte. Sie wünschte, sie hätte die Hände heben und ihre Zähne benutzen können, aber das wäre Tammy mit Sicherheit aufgefallen. Wenigstens waren ihre Hände noch vor dem Körper; dadurch hatte sie vielleicht eine Chance.
    Tammy holte tief Luft; ihr Blick heftete sich auf Lily. »Du bist wie er – stur wie ein Bock.«
    »Wie sind Sie an all den Agenten vorbeigekommen, die das Haus bewachten?«
    »Alles dumme Schweine. War kinderleicht. Für mich gibt’s heutzutage kaum noch Herausforderungen. Habe mich einfach unsichtbar gemacht.«
    Lily wollte so etwas Unmögliches nicht glauben, sagte aber nur: »Und ich, war ich auch unsichtbar?«
    »O ja. War nichts dabei. Hab dich einfach rausgezerrt, in deinem Fähnchen da – sorry, dass ich dir keinen Morgenmantel mehr besorgt habe, aber ich dachte, wenn du erst mal merkst, was dir blüht, dann bist du wahrscheinlich froh, dass du überhaupt noch frieren kannst. Immer noch besser, als tot zu sein und gar nichts mehr zu fühlen. Und jetzt, Schwesterchen, geh in den Scheißkreis!«
    »Nein.«
    Tammy hob die Pistole und schoss. Lily schrie auf, sie konnte nicht anders. Sie warf sich zur Seite, vom Heuballen herunter, spürte noch das heiße Zischen der Kugel, die kaum zwei Zentimeter an ihrer Wange vorbeiflog. Sie rollte sich ab und versuchte dabei, ihre Armfesseln abzustreifen. Eine weitere Kugel traf einen Ballen verschimmeltes Heu, das in alle Richtungen spritzte.
    Dann hörte Tammy auf zu
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher