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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt
Autoren: Catherine Coulter
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deutlich genug. Es gab einen kleinen, niedrigen Eingang, gleich hier, an der Westseite, hinter einem wild wuchernden, kahlen Busch. Er stand einen Spalt offen, weit genug für ihn, um sich hineinzuzwängen.
    Savich warf einen Blick zurück und winkte den drei Agenten, die um die Ecke der Scheune spähten, mit der Pistole zu, als Zeichen, dass sie ihre Position halten sollten. Zentimeter um Zentimeter schob er die schmale Tür auf; alles war von Staub und Schmutz bedeckt, etliche Rattenkadaver lagen herum. Auf den Ellbogen, die SIG schussbereit in der Hand, robbte er hinein.
    Im Innern der Scheune herrschte ein geheimnisvolles Zwielicht. Staubflocken tanzten in den Lichtstreifen, die durch die weit oben liegenden Fenster hereindrangen. Das Glas der meisten war zerbrochen, nur mehr einzelne Splitter steckten in den Rahmen. Er blieb ein paar Augenblicke lang regungslos liegen, versuchte seine Augen an das Halbdunkel zu gewöhnen. Heuballen lagen herum, so alt, dass sie beinahe wie versteinert wirkten, daneben rostige Maschinenteile und zwei uralte hölzerne Viehtränken.
    Dann sah er sie. Am anderen Ende war noch eine Tür, keine sechs Meter rechts vom großen zweiflügeligen Scheunentor. Wohl ein Geräteraum, dachte er, auf dem Grundriss aber nicht eingezeichnet. Dann sah er die Umrisse des Hondas, in einer dunklen Ecke am anderen Ende der Scheune. Die zwei Brüder hielten sich in dem Geräteraum auf, kein Zweifel. Und Donny und Rob Arthur? Herrgott gib, dass sie noch am Leben sind.
    Doch erst musste er wissen, wo wer war, bevor er die anderen Agenten herbeirief. Es war still, totenstill beinahe. Er sprang auf und rannte gebückt auf den Geräteraum zu, die Pistole schussbereit nach allen Seiten schwenkend, vollkommen lautlos. Dann drückte er sein Ohr an die halb verrottete Holztür des Nebenraums.
    Eine klare, zornige Männerstimme erklang dahinter, plötzlich laut werdend.
    »Das junge Blut muss in den Kreis! Los! Die Ghule wollen euch haben; sie haben gesagt, wir sollen uns beeilen. Sie wollen euch mit ihren Messern und Äxten zerschneiden und zerhacken – Teufel, wie sie das lieben –, aber diesmal wollen sie euch in ihre Taschen stopfen und mit euch fortfliegen. He, vielleicht landet ihr am Ende sogar in Tahiti, wer weiß? So was haben sie bis jetzt noch nie gemacht. Aber uns kann’s egal sein. Da kommen sie, die Ghule!« Und er lachte, das Gelächter eines jungen Mannes, nicht sehr tief, aber vollkommen irrsinnig. Savich drohte das Blut in den Adern zu gefrieren.
    Dann erklang die Stimme eines anderen Mannes, eine tiefere Stimme. »Jep, fast bereit für die Ghule. Wir wollen sie doch nicht enttäuschen, oder? Los, vorwärts das junge Blut!«
    Er hörte sie näher kommen, hörte das Schlurfen von Schritten, hörte das erstickte, panische Schluchzen der Jungen, hörte die Tuttles fluchen, hörte, wie sie die beiden Jungen mit Gewalt vorwärts trieben. Erst da fiel sein Blick auf den riesigen Kreis, der mit schwarzer Farbe grob auf einen sauber gefegten Bereich des hölzernen Scheunenbodens gemalt worden war.
    Keine Zeit. Keine Zeit, um die anderen herzuholen.
    Savich konnte gerade noch hinter einen Heuballen hechten, als die Tür des Geräteraums aufging und einer der Männer einen schmächtigen, leichenblassen Jungen vor sich her trieb. Die Hose des Jungen war total verdreckt und rutschte ihm fast vom Hintern. Das war Donny Arthur. Man hatte ihn geschlagen, ihn wahrscheinlich auch hungern lassen. Er war starr vor Angst. Dann wurde ein zweiter, ebenfalls vollkommen verängstigter Junge aus dem Geräteraum gestoßen: Rob Arthur, erst vierzehn Jahre alt. Savich hatte noch nie eine solche Angst in zwei so jungen Gesichtern gesehen.
    Wenn Savich den Tuttles jetzt Einhalt gebot, konnten sie die Jungen als Schutzschilde benutzen. Nein, besser noch warten. Was sollte all das irre Gerede über Ghule? Er beobachtete, wie die beiden Männer die Jungen vor sich her stießen und dann buchstäblich mit Fußtritten in den Kreis beförderten.
    »Keiner von euch bewegt sich, oder ich nagle dich mit meinem Messer hier an den Boden, direkt durch den Arm. Tammy hier übernimmt mit ihrem Messer den anderen. Hört ihr, junges Blut?«
    Tammy? Ihr Messer? Nein, es waren doch zwei Brüder – Tommy und Timmy Tuttle, genug Alliteration, selbst für die Presse. Nein, er musste sich verhört haben. Er hatte zwei junge Männer vor sich, beide ganz in Schwarz, lange, hagere Gestalten in klobigen schwarzen, fast bis zu den Knien reichenden
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