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Wer nie die Wahrheit sagt

Wer nie die Wahrheit sagt

Titel: Wer nie die Wahrheit sagt
Autoren: Catherine Coulter
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Zeit, euch zu holen. Herrgott, ich hatte selbst eine Scheißangst, aber es blieb mir keine Wahl. Und dann tauchten plötzlich diese Heuler auf. Ehrlich, ich weiß nicht, was mir mehr Angst machte – Tammy Tuttle oder das, was sie ›die Ghule‹ nannte.«
    Sie bog den Oberkörper ein wenig zurück, um ihn ansehen zu können. »Ich kapier das einfach nicht. Du hast alles so klar beschrieben, ich konnte diese wirbelnden Dinger fast sehen, wie sie durchs offene Scheunentor reinkamen. Aber Ghule?«
    »So haben die Tuttles sie genannt. Kam mir vor, als wären sie ihre ergebenen Diener oder ihre Jünger oder so was. Ich würde liebend gerne sagen, dass es bloß eine Halluzination war, dass ich der Einzige war, der aus der Rolle fiel, aber die Jungen haben sie auch gesehen. Ich weiß, das klingt verrückt, Sherlock, noch dazu, wo von euch keiner was gesehen hat.«
    Und weil er noch ein wenig mehr darüber reden musste, hielt sie ihn einfach umschlungen, während er ihr abermals beschrieb, was da durch die Scheunentore gegeistert war. Dann sagte er: »Wahrscheinlich werden wir nie wieder von dieser Sache hören, aber es war schon beängstigend, Sherlock, das war’s wirklich.«
    Jimmy Maitland kam ins Männerklo stolziert.
    »He, wo soll ein armer Mann hier pinkeln?«
    »Ach, Sir, ich wollte bloß sehen, wie’s Dillon geht, ob er in Ordnung ist.«
    »Und, ist er?«
    »O ja.«
    »Hab Ollie auf dem Weg zur Abteilung getroffen, Savich. Er meinte, Sherlock würde Ihnen im Männerklo die Hucke voll hauen. Die Pressemeute wartet schon.« Jimmy Maitland grinste von einem Ohr zum andern. »Und wisst ihr was? Diesmal keine Prügel von den Herren – nur Streicheleinheiten, Gott sei’s gedankt. Haben ja auch nur tolle Neuigkeiten. Und da Sie sozusagen der Mittelpunkt des Ganzen sind, Savich, möchte ich, dass Sie auch dabei sind. Natürlich wird Louis Freeh das Reden übernehmen. Sie müssen bloß daneben stehen und so heldenhaft wie möglich aus der Wäsche gucken.«
    »Und kein Wort von diesen Erscheinungen?«
    »Nein, kein Wort von den Ghulen, nicht mal Spekulationen über wirbelnde Staubwolken. Das Letzte, was wir brauchen können, ist, dass die Presse über uns herfällt, weil wir angeblich von ein paar komischen Staubballen attackiert wurden, die zwei irre Psychopathen herbeigerufen haben. Was die Jungen betrifft, spielt es keine Rolle, was sie sagen. Wenn uns die Pressefritzen danach fragen, schütteln wir einfach nur bekümmert und mitleidig die Köpfe. Die werden einen Tag lang einen Wirbel drum machen, dann ist das Ganze wieder vergessen. Und das gesamte FBI steht als Held da. Schon ein tolles Gefühl.«
    Savich sagte, während er seiner Frau über den Rücken strich: »Aber in dieser Scheune war was ganz Komisches. Hat mir förmlich die Nackenhaare aufgestellt, Sir.«
    »Jetzt reißen Sie sich mal zusammen, Savich. Wir haben die Tuttle-Brüder, oder besser gesagt, wir haben einen toten Bruder und eine Schwester, der gerade der Arm abgenommen werden musste. Was Übernatürliches können wir jetzt am allerwenigsten gebrauchen.«
    »Vielleicht möchten Sie mich ja jetzt Mulder nennen?«
    »Hätten Sie wohl gern. He, ich sehe gerade, dass Sherlock hier ja auch rote Haare hat, so wie Scully.«
    Savich und Sherlock verdrehten die Augen und folgten ihrem Boss aus dem Männerklo.
    Die Jungen behaupteten steif und fest, die Ghule gesehen zu haben; sie konnten kaum von etwas anderem reden als davon, wie Agent Savich direkt auf einen dieser Ghule geschossen und sie aus der Scheune vertrieben hatte. Aber die Jungen sahen derart bemitleidenswert aus, waren so am Ende, dass ihnen nicht einmal ihre Eltern glaubten.
    Ein Reporter fragte Savich, ob er irgendwelche Ghule gesehen habe, doch Savich sagte nur: »Wie bitte?«
    Jimmy Maitland hatte Recht. Damit war die Sache erledigt.
    Savich und Sherlock spielten an diesem Abend so lange mit Sean, dass er mitten in seinem Lieblingsfingerspiel, Versteck-das-Kamel, einschlief, einen feuchten Grahamcracker halb zerkrümelt in der kleinen Faust. In dieser Nacht läutete gegen zwei Uhr morgens das Telefon. Savich ging ran, hörte kurz zu und sagte dann: »Wir kommen so schnell wie möglich.«
    Dann legte er langsam den Hörer auf und blickte seine Frau an, die sich schlaftrunken auf einen Ellbogen stützte.
    »Es geht um meine Schwester Lily. Sie liegt im Krankenhaus. Sieht nicht gut aus.«

2
HEMLOCK BAY, KALIFORNIEN
    Hell strömte die Sonne durch die schmalen Fenster herein.
    Ihre
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