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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
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über die Schulter und befestigte den Köcher mit den Pfeilen am Gürtel ihres Reitkostüms, eine Bewegung, die sie so oft in dem verlassenen Ballsaal geübt hatte, dass sie ihr so in Fleisch und Blut übergegangen war wie das Atmen.
    Das Herrenhaus unten sah im goldenen Licht der späten Nachmittagssonne noch trauriger und verfallener aus, als vorgestern Nacht. Sonnenlicht glitzerte auf der dünnen Schneeschicht, die das durchhängende Dach und die zerbröckelnden Kamine überzog. Doch auch das konnte den Schatten des Trübsinns nicht vertreiben, der über dem Ort hing.
    Ehe sie ihre Pferde den Abhang hinuntertreiben konnten, trug die frische Winterluft gedämpftes Hufgeklapper zu ihnen. Sie drehten sich um und erblickten einen weiteren Reiter, der hinter ihnen die Hügelkuppe erklomm.
    Einen quälenden Moment lang konnte Portia kaum atmen. Dann sah sie den weißen Haarschopf des nahenden Reiters.
    Larkin schüttelte ungläubig den Kopf. »Das muss ein Witz sein.«
    Adrian schaute Portia vorwurfsvoll an, aber sie zuckte nur die Achseln. »Ich hatte keine Ahnung, dass er mir folgte.«
    Wilbury ritt einen von Adrians lebhaftesten — und teuersten — Hengsten. Der Butler hing weit vorgebeugt im Sattel. Sein knochiger Leib bog sich unter der Last zahlloser Waffen, unter anderem einem Bogen und Pfeilen, einem Lederriemen mit mehreren Holzpflöcken in unterschiedlichsten Längen und einer Klinge, die einem Küchenmesser verdächtig ähnlich sah. Er hatte sogar eine uralte Steinschlosspistole in den Bund seiner altmodischen Kniebundhosen gesteckt. Trotz seines Versuches, tapfer und entschlossen zu wirken, erweckte er dennoch vor allem den Eindruck, als hätte er es in einem Leichenwagen wesentlich bequemer.
    Er brachte sein Pferd neben Portia zum Stehen und sagte: »Sie haben geläutet?«
    »Nein«, entgegnete Adrian knapp. »Ich habe ganz bestimmt nicht geläutet. Haben Sie den Verstand verloren, alter Mann? Sie sollten zu Hause sitzen und das Silber polieren, und nicht mit Ihren morschen alten Knochen auf einem Pferd, das praktisch ungezähmt ist, durch die Landschaft galoppieren.«
    »Falls Sie es vergessen haben, Mylord, es gibt kein Silber, das ich polieren könnte. Genauso wenig habe ich ein Zuhause, in dem ich das tun könnte. Was der Grund ist, weswegen ich Ihnen meine Unterstützung gewähre. Ich habe ein langes und erfülltes Leben geführt, Mylord. Was ist das Schlimmste, das mir zustoßen könnte?«
    Seinen hageren Körper betrachtend, verkniff sich Larkin ein Grinsen. »Sie könnten Sie für einen von ihnen halten und versuchen, Sie zu ihrem König zu küren.«
    Wilbury warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »Mit etwas Glück und ein paar gut gezielten Schüssen von Ihnen, Mr. Larkin, könnte ich am Ende sogar meinen vierundsechzigsten Geburtstag erleben.«
    Larkins Augen weiteten sich ungläubig, während Portia mit einem plötzlichen Hustenanfall zu kämpfen hatte.
    Adrian musterte ihn aus zusammengekniffenen Augen. »Wilbury, Sie müssen doch schon wenigstens sechzig gewesen sein, als ich noch kurze Hosen trug.«
    »Unsinn«, erwiderte der Butler mit einem würdevollen Naserümpfen. »Ich wirkte in Ihren Augen nur älter, weil Sie so jung waren. Und Sie müssen sich keine Sorgen machen, dass ich Ihnen im Weg wäre. Es ist nicht so, als wüsste ich nicht, wie ich mich in solchen Situationen verhalten soll. Ich kann Ihnen versichern, dass ich in meiner Jugend selbst Schlachten zu schlagen hatte.«
    Larkin schnaubte. »Bei Hastings gegen die Normannen gekämpft, als sie England erobern wollten, was?«
    Portia streckte einen Arm aus und drückte dem alten Mann die gichtige Hand. »Ich würde es als Ehre ansehen, an Ihrer Seite in den Kampf zu ziehen, Wilbury.«
    »Danke, Miss Portia«, antwortete er mit der gleichen Ernsthaftigkeit. »Ich wäre nicht gekommen, aber ich mache mir Sorgen um Miss Eloisa. Sehen Sie, ich bin der Einzige, der sie trösten kann, wenn sie aus einem Alptraum aufwacht. Eine schöne Tasse warme Milch und ein paar Strophen von >Mein Mädel hat einen Rosenmund< und schon schläft sie wieder.«
    Portia blinzelte die Tränen weg, die ihr in den Augen brannten, und hoffte, Wilbury würde sie auf den kalten Wind schieben, der über den Hügel wehte. »Ich bin sicher, Sie werden ihr ein großer Trost sein, wenn wir sie finden.«
    Adrian schaute über seine Schulter auf die rasch untergehende Sonne. »Wenn wir aufbrechen wollen, dann sollten wir das besser tun, ehe auch noch die Zwillinge auf
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