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Wenn der Wind dich ruft

Wenn der Wind dich ruft

Titel: Wenn der Wind dich ruft
Autoren: Teresa Medeiros
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aussaugen kannst?«
    Julian langte blitzschnell durch den schmalen Spalt und packte ihn am rüschenbesetzten Kragen seines Nachthemdes, zerrte ihn ans Fenster, bis sich ihre Nasen fast berührten. »Weil es viel schneller ginge, dich durch dieses Fenster zu zerren und drei Stockwerke tief fallen zu lassen. Wenn alle deine Knochen gebrochen sind, bezweifle ich, dass du dich viel wehren wirst, wenn ich dir das Leben aussauge.«
    Als Julian seinen würgenden Griff um den Kragen lockerte, erklärte Cuthbert mit vernichtender Höflichkeit: »Nun gut. Bitte komm doch herein.«
    »Wie genau bist du eigentlich hier heraufgekommen?«, erkundigte er sich gleich darauf und ging ein paar Schritte zurück, als Julian durch das Fenster kletterte.
    »Glaub mir, das willst du lieber nicht wissen«, antwortete Julian und klopfte sich den Schnee von seinem Hemd. »Was ist mit deinem Rock geschehen?«
    »Ich habe ihn einem hübschen Mädchen überlassen. Hättest du etwas Geringeres von mir erwartet?«
    »Nein, eher nicht.«
    Cuthbert lehnte sich aus dem Fenster und spähte in beide Richtungen die leere Straße entlang, ehe er es zuzog. »Du hast Glück, dass dich niemand hat kommen sehen. Wallingford und seine Schergen folgen mir seit Tagen auf Schritt und Tritt.«
    »Warum?«
    »Soweit ich es verstanden habe, hofft er, dass du mich wieder in deine Netze locken wirst und er uns bei etwas erwischt, das entweder den Galgen oder Gefängnis bedeutet. Den Gerüchten nach ist er außer sich vor Wut, weil dein Bruder deine Spielschulden bezahlt hat. Er ist von der Vorstellung besessen, dass du irgendwelche neuen Verderbtheiten planst, jetzt, da du unter demselben Dach lebst wie die liebreizende, keusche Miss Portia Cabot.«
    Julian wandte den Blick ab, sein schmales Gesicht grimmig. »Nun, deswegen muss er sich keine Sorgen mehr machen.«
    »Weil sie nicht länger keusch ist oder weil du nicht mehr unter demselben Dach wohnst?«
    Statt einer Antwort zupfte sich Julian mit einer geschickten Bewegung die zerknitterten Manschetten seines Hemdes glatt.
    »Ach du meine Güte«, sagte Cuthbert und ließ sich auf das Fensterbrett sinken, »Sie ist nicht länger keusch, und das ist der Grund, warum du nicht länger unter demselben Dach wohnst. Warum überrascht mich das eigentlich nicht?«
    Seinem Blick weiter ausweichend, begann Julian im Zimmer rastlos umherzugehen. Als er zum Bett kam, fuhr er angewidert zurück. »Himmel, Cubby, was ist das für ein grässlicher Gestank?« Als Cuthbert nicht antwortete, zog er die Bettvorhänge zurück. Unter dem Betthimmel hingen dicke Zöpfe mit Knoblauchknollen.
    Unter Julians vorwurfsvollem Blick nahm Cuthbert sie ab und warf sie aus dem Fenster in den Schnee draußen.
    Als er sich danach umdrehte, entdeckte er Julian am Nachttisch, wo er ein Glas Wasser misstrauisch betrachtete. »Bitte sag jetzt nicht, dass das ...«
    »0 nein«, beeilte sich Cuthbert, ihm zu versichern.
    »Das ist nur Wasser. Manchmal bekomme ich mitten in der Nacht Durst, und ich hasse es, dann im Morgenrock den ganzen Weg in die Küche gehen zu müssen.«
    »Weißt du, wenn ich vorhätte, dich zu töten«, erklärte Julian freundlich, »hätte ich es vermutlich getan, als du in der Taverne in Florenz das Bewusstsein verloren hast, nachdem du zu viel Wein getrunken hattest und im Schoß der Balletttänzerin eingeschlafen bist. Es wäre weitaus einfacher gewesen, als dich auf meine Schultern zu heben und dich den ganzen Weg bergauf zu unserer Herberge zu tragen. «
    Cuthbert seufzte verlegen. »Um ehrlich zu sein, Julian, ich habe dich ganz fürchterlich vermisst. Mein Vater schleppt mich zu musikalischen Nachmittagen, Teegesellschaften und unerträglich langen Vorträgen über die körperlichen und geistigen Vorzüge des Maßhaltens.«
    Julian erschauerte. »Es erstaunt mich, dass du nicht um einen schnellen Tod in den Fängen des nächstbesten Vampirs gebetet hast.«
    »Ich habe deinen Brief gelesen. Wie du ein Vampir wurdest und was dir dieser furchtbare Schurke Duvalier angetan hat. «
    Julian schaute ihn verwundert an. »Wie kannst du ihn gelesen haben? Er kam mit unversehrtem Siegel zurück.«
    »Ich wollte nicht, dass du weißt, dass ich ihn gelesen hatte, daher habe ich eine Kerze geschmolzen und das Siegel wieder geschlossen.« Er nahm sich die Schlafmütze ab und begann mit der Troddel zu spielen, den Blick seines Freundes meidend. »Wenn du es unbedingt wissen musst, ich habe nur geschmollt, weil es meine Gefühle verletzt hat,
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