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Weltraumschwimmer

Weltraumschwimmer

Titel: Weltraumschwimmer
Autoren: Gordon R. Dickson
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über die Balkonebene des Bahnhofs von Savannah Stand in Georgia. Mit seiner Statur der Seegeborenen war er um einen Kopf größer als der Durchschnitt der Passagiere, die mit ihm ausgestiegen waren. Er blickte durch den unsichtbaren Wetterschirm des dachlosen Bahnhofs zum Himmel hoch. Nichts, bis jetzt, dachte er. Und er war auch keinem begegnet, der ihn kannte.
    Vor einer Stunde noch hatte Pat am Sitz der Unterhaltungsgruppe Nord in Kanada den ersten Hauch des kommenden Winters verspürt, der die immer in ihm lebendige Musik geweckt hatte – die Musik der Einheit der Rasse und des gemeinsamen Zieles, die all sein künstlerisches Schaffen bewegte, die ihn dazu gebracht hatte, seinem eigenen, seegeborenen Volk den Rücken zuzuwenden und an Land auszuharren.
    Diese Musik in ihm war es auch gewesen, deretwegen er sich damals gegen die Entscheidung Johnnys gestellt hatte, dem alle der Drittgeneration Seegeborener instinktiv folgten, wie die Wildgänse ihrem Schwarmführer. Aber er zweifelte auch jetzt nach sechs Jahren freiwilligen Exils nicht an der Richtigkeit seiner Überzeugung. Denn in jedem Augenblick, da er sich Zeit nahm zu lauschen, spürte er in sich den Herzschlag der Welt durch Raum und Zeit, der ihm versicherte, daß er recht hatte. Er hatte damals recht gehabt, und er hatte jetzt immer noch recht. Er mußte seinen selbstgewählten, einsamen Weg weitergehen.
    Selbst hier, etwas über dreitausend Kilometer südöstlich, die er in einer Stunde mit dem Vakuumexpreß unter dem Häuserteppich zurückgelegt hatte, der die Oberfläche des Südteils des Kontinents zu dicht bedeckte, um noch Straßen zu gestatten, verriet die Luft, daß der Sommer sich dem Ende zuneigte. Und die Stunde der Entscheidung kommt immer näher, dachte er.
    Er schaute auf seine Uhr. Er hatte noch zwölf Minuten. Um zur Hauptetage zu kommen und sie zu überqueren, brauchte er nicht mehr als fünf. Er lehnte sich über die Brüstung der Balkonebene und blickte die dreizehn Meter hinunter auf die Hauptetage. Keiner der Tausenden von Menschen, die hier aneinander vorbeieilten, vergeudete auch nur eine Sekunde, um hochzusehen. Sogar hier, auf der Durchreise, waren sie beschäftigt mit ihrem unaufhörlichen Aufstiegskampf, um eine Sprosse der Gesellschaftsleiter höher zu kommen – ein Kampf um Erfolg und Prestige, den sie ironischerweise das Spiel nannten.
    Ihr penetranter Parfümgeruch vermischte sich mit dem Schweiß, den die Eile ihnen austrieb, und dem Duft der Orangen- und Äpfelbäume, der Tulpen und Rosen und Astern, die alle gleichzeitig an den Wegen dort unten blühten, und er stieg in geradezu betäubender Konzentration zu Patrick Joya herauf.
    „Hallo, Pat“, grüßte eine bekannte, sanfte, aber seltsam widerhallende Stimme eines Mannes hinter ihm. „Vertieft in die Beobachtung der Teilnehmer am Spiel des Lebens?“
    Pat drehte sich scheinbar ungerührt um. Seine seegeborenen Nerven verrieten seine Überraschung nicht. Gerade noch innerhalb der Überprüfungswand stand Barth Stufe, der Präsident oder der „Baron“ der Konstruktionsgruppe. Er war klein und schlank, doch mit seiner lächerlich breitschultrig geschnittenen Pelzjacke mit eingearbeiteter Luftkühlung wirkte er sehr ungewöhnlich. Er trug die bauschige gelbe Quaste, das Symbol seiner Gruppe. Das Lächeln, mit dem er Pat bedachte, verriet eine Spur Ironie.
    Pat nickte nur. Selbst nach sechs Jahren an Land fiel es ihm schwer zu glauben, daß ein einzelner Mann wie Stuve als Spitze des Erfolgs für die zweihundert Millionen Aktionärangestellten galt, die wie er die gelbe Quaste trugen und irgend etwas mit dem Baufach zu tun hatten. Und daß dieser kleine, aber geniale Mann einer von nur zehn ähnlichen Gruppenführern war, die den über dreißig Milliarden Lander beherrschenden Rat bildeten. Und er konnte sich auch nicht vorstellen, daß Stuve breitschultrige Jacken trug, um einen körperlichen Mangel – einen Höcker, wie man munkelte – zu verbergen. Stuve würde ein solches Mal offen zur Schau tragen, schon al lein, um sich von den anderen zu unterscheiden. Nein, wenn etwas an ihm krumm war, dann eher sein Charakter. Nun, jedenfalls war Stuve einer der Höchsten im Spiel.
    „Ihnen gefällt wohl mein Name für die Menschen dort unten nicht?“ fuhr der Kleinere fort. Er lächelte Pat noch immer an. Unter seiner hohen Stirn lagen die dunklen Augen tief in den Höhlen. Seine Züge waren feingeschnitten, Nase und Mund gerade, sein Kinn war fest. Er sah eigentlich
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