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Weltraumschwimmer

Weltraumschwimmer

Titel: Weltraumschwimmer
Autoren: Gordon R. Dickson
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Mitte war ein gleiches Kästchen geschnallt wie das seines Vaters – es enthielt den Generator der Magnethülle, die ihn im Wasser wie ein Überanzug umgab. Sie stieß im rechten Winkel zu ihrer unstofflichen Oberfläche jegliche Art von gleichmäßigem Druck ab, selbst den der größten Tiefe von acht bis zehn Kilometer. Damit und mit der Maske, die aus dem umgebenden Wasser Sauerstoff für ihn produzierte, war ihm keine Stelle in der See verwehrt. Das, wie so vieles andere, hielt der Junge für selbstverständlich.
    Er war sich nicht bewußt, daß er auf bestimmte Weise ungewöhnlich war. Er nahm auch all die Botschaften für selbstverständlich hin, die ihm das bewegte Wasser zukommen ließ. Genau wie es für ihn völlig natürlich war, daß Konquistador und Baldur ihn verstanden und ihm gehorchten und daß selbst die wilden Mörderwale, die nur zuzuschnappen brauchten, um ihn zu verschlingen, auf ihn hörten und seinen Gewässern fernblieben. Ihr Respekt vor ihm hatte nichts damit zu tun, daß er sie erschießen könnte, noch ehe sie sich auf ihn zuschnellten. Die ungezähmten Mörder schwammen im freien Wasser wie zehn Meter lange Wölfe um ihn herum, und in Rudeln waren sie ihm zweifellos weit überlegen. Vor ihnen floh alles in der See, und sie wußten gar nicht, was Furcht war. Doch an dem Jungen war etwas, das sie einschüchterte. Tomi hatte keine Angst vor ihnen. Er sprach zu ihnen, verstand sie, und befahl ihnen wie ein Herrscher seinen Untertanen.
    „Das hier ist meine See“, sagte er zu ihnen. „Ihr habt hier nichts verloren.“ Und sie pflichteten ihm bei, daß es sein und nicht ihr Gewässer war, und sie zogen sich zurück. Sie waren intelligenter als die Seehunde und ihr Respekt, ja ihre Ehrfurcht vor ihm waren groß.
    Tomi öffnete jetzt die durchsichtige Scheibe seiner Wasserlungenmaske und atmete tief die Luft des Bergheims ein. Er konnte das schwache Pochen der Zimmerlunge hören, die die Luft mit Sauerstoff aus dem Wasser des Beckens anreicherte. Die thermonukleare Fusionseinheit der Zimmerlunge war das größere Modell der winzigen in seiner Wasserlunge. Beides waren Geräte, die die Seemenschen entwickelt hatten. Auch sie betrachtete Tomi als selbstverständlich, genau wie die Beheizung, das Licht und all die anderen Annehmlichkeiten, mit der diese Einheit das Bergheim versorgte.
    Es waren Dinge, über die er sich keine Gedanken machte, genausowenig wie über den Respekt, den die wilden Mörder vor ihm empfanden. Sehr beschäftigte ihn jedoch das Rätsel, ja Wunder des lautlosen geistigen Kampfes seines Vaters hier im Bergheim während der vergangenen Jahre. Tomi war sich seiner eigenen Instinkte und Wahrnehmungsfähigkeiten voll bewußt. Jetzt kam er aus dem beschränkten Gebiet und den kleinen Kämpfen der Gewässer zu einem ungeheuren Ort, wo titanische, wenn auch unwirkliche Kräfte im Spiel waren, die weit über diesen kleinen, von Eis eingeschlossenen Raum hinausreichten. Er blickte sich um.
    Die Lichter waren nicht eingeschaltet. Nur der schwach durch das Eis dringende Sonnenschein erhellte das Bergheim. Als seine Augen sich an die Düsternis gewöhnt hatten, sah er seinen Vater auf dem mit Fellen bedeckten Unterwasserschlitten sitzen. Tomi wollte schon nach dem Schalter der Lichtkontrollbox greifen, die das ganze Bergheim sonnenhell beleuchten würde, als ihm die absolute Reglosigkeit seines Vaters auffiel. Und er hörte auch die Mohosymphonie, die ganz leise aus dem winzigen Empfänger zu seines Vaters Füßen drang. Patrick Joya, Johnnys Vetter, der aus freiem Willen auf dem Land geblieben war, hatte die Symphonie komponiert.
    Als Tomi seinen Vater betrachtete, wurde ihm plötzlich wieder das Gleichgewicht aller Kräfte bewußt. Und stärker als je zuvor spürte er die ungeheure Anspannung Johnnys, die irgendwie einer endgültigen Entscheidung nahe war. Wenn sie kam, würde ihr Echo sich über die ganze Welt, ja das gesamte Universum ausbreiten. Da bewegte sich der Gedanke über das Gleichgewicht in Tomi. Mit überkreuzten Beinen setzte er sich vor seinen Vater auf den Boden und ahmte seine Haltung nach – so sehr, daß der beobachtende Delphin, der nicht weniger abergläubisch als seine Mörderwal-Vettern war, überzeugt war, eine unheimliche Art von Magie flösse von der größeren Gestalt zu der kleinen, um sie umzuwandeln.
    Vor Baldurs Augen veränderte sich das Gesicht des Jungen auf eine Art, wie der Delphin es nie zuvor gesehen hatte. Tomis Züge schienen zu reifen, als
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