Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Titel: Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
Autoren: Jess Rothenberg
Vom Netzwerk:
Ritzen tropfend und ätzend.
    Ich presste die Hände gegen meine Schläfen. Mein Kopf fühlte sich an, als würde er gleich explodieren.
    Buddeln.
    Lasst mich heraus.
    Scharren.
    Helft mir.
    Kratzen.
    Bitte.
    Stille. Totenstille. Verbrauchte Luft. Dunkelheit.
    Endlos.
    Die Stimme des alten Mannes holte mich zurück. »Das war’s, alle aussteigen.«
    Ich schluckte zitternd. Das Feuer und der Schmerz verschwanden so schnell, wie sie zugeschlagen hatten.
    »Wo bin ich?«, flüsterte ich.
    Nirgendwo. Ich bin nirgendwo.
    »Letzter Halt.« Der Alte griff nach dem gelben Hebel und zog ihn mit einem Ächzen auf.
    Als sich die Türen des Busses öffneten, strömte mir kühle Luft entgegen, die vertraut nach Meer und wilden Blumen roch. Aber da war noch etwas. Etwas Erdiges. Ich schlang mir die Arme um den Oberkörper und wünschte, ich hätte eine Jacke.
    Nein, lieber mein Kapuzenshirt. Das mit den Baby-Pinguinen drauf.
    Eine Frage hatte ich noch, doch ich befürchtete, dass mir die Antwort nicht gefallen würde.
    »Sir?«
    Seine dunkel umrandeten Augen starrten mich an, und ich holte tief Luft.
    »Was ist die letzte Station?«
    Er nickte in Richtung einer offenen Tür. »Willkommen in der Ewigkeit.«

6
    ooh heaven is a place on earth

    Der Himmel. (Oder so etwas Ähnliches?) Ich bin mir nicht so sicher, wie ich mir das ganze Leben-nach-dem-Tod-Ding genau vorgestellt hatte, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es etwas mit Schäfchenwolken und riesigen Wasserrutschen, Goldendoodle-Welpen und Auf-einem-schwarzen-Hengst-Herumgaloppieren zu tun hatte, und das den ganzen Tag lang, jeden Tag.
    Nicht ganz.
    Ich stieg aus dem Bus und schaute mich um. Okay, das war definitiv nicht die Erde. Ich meine, es fühlte sich an wie die Erde, es sah aus wie die Erde, es roch sogar wie die Erde, so verrückt das auch klingt. Nur viel, viel süßer, als sei die Luft aus Ahornsirup oder einem mit Kardamom gewürzten Milchkaffee.
    Aber als ich den Bus wegfahren sah und mir endgültig dämmerte, dass ich mutterseelenallein auf einem unheimlichen Parkplatz stand, ohne Jacke, ohne Telefon, ohne einen einzigen Freund auf der Welt, da nahm ich, verdeckt von all der verführerischen Süße, noch etwas anderes wahr.
    Etwas Saures, Verfaulendes. Einen Beigeschmack.
    Und dann wusste ich plötzlich, was das war.
    Es war der Modergeruch verwelkter Blumen.
    Genauer: verwelkter Rosen.
    Wie die Rosen auf meiner Beerdigung. Die, die sie auf meinen Sarg geworfen hatten, nachdem sie mich hinabgelassen hatten.
    Ich konnte noch das dumpfe Aufschlagen der dornigen Stängel auf dem Eichenholz des Sarges hören, bumm, bumm, bumm, eine nach der anderen. Ich erinnerte mich daran, wie sich der Geruch im Laufe der Stunden, Tage und Wochen verändert hatte.
    Eklig, faulig, süßlich.
    Je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass der Geruch überall war. Auf meiner Zunge, in meiner Nase, in meiner Kehle. Er würgte mich mit dem Gedanken an Tod und ans Sterben und an verrottende Blütenblätter. Mir war so übel, dass ich mich übergeben wollte, obwohl ich nichts mehr in mir hatte.
    Das machte keinen Unterschied.
    Ich übergab mich trotzdem.
    Ich würgte und hustete und wand mich auf dem Asphalt, während Staub und Schotter meine Augen, Haare und meine Lunge benebelten, bis ich mich nur noch zu einer Kugel zusammenrollen konnte und hoffte, dass es mir bald besser gehen würde. Jeder kleinste Teil meines Körpers schmerzte, es fühlte sich ungefähr so an, als würde das Universum in meinem Schädel explodieren oder mein Körper zerreißen, um von innen heraus alles neu zu erschaffen, eine verzerrte Version meiner selbst.
    Auch der König mit all seinen Mannen
    Brachte Brie nicht wieder zusammen.
    Als das Schlimmste vorüber war, blieb ich auf dem Boden liegen, zwischen Bewusstsein und Bewusstlosigkeit hin- und herschwebend und bombardiert von einem merkwürdigen Mix von Schnappschusserinnerungen. Wie sich Jacks Nasenwurzel kräuselte, wenn er lachte. Wie Hamloaf bellte und pupste, wenn er schlief. Wuffpups, pupswuff. Der kalte, grüne, aufgewühlte Pazifik.
    Es war, als sei ich überall und nirgendwo zugleich. Ich war zwölf, als ich mit Dad in seinem roten Kabrio die Autobahn entlangfuhr und God Only Knows von den Beach Boys trällerte. Ich war neun, als ich mit Sadie, Emma und Tess kreischend unter dem Rasensprenger hindurch im Garten herumflitzte und Hamloaf uns hinterherjagte und nach unseren Bikini-Höschen schnappte. Ich war fünfzehn, als ich mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher