Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Titel: Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
Autoren: Jess Rothenberg
Vom Netzwerk:
Knurren von sich.
    »Letzter Halt in fünf Minuten«, brummte eine tiefe Stimme aus dem Lautsprecher.
    Ich schaute nach vorn und sah in einem großen Rückspiegel einen alten Mann. Dicke Brillengläser. Total kahlköpfig und runzlig. Er trug eine marineblaue Windjacke und sah ungefähr aus wie hundertfünfzig. Definitiv zu alt, um einen Bus zu fahren.
    Moment mal.
    Was mache ich eigentlich in einem Bus?
    Ich sah mich rasch um. Okay, das war seltsam. Ich war der einzige Fahrgast. Um mich herum waren alle Sitzreihen leer. Ich wurde nervös, als würde mein Puls rasen und mein Herz besonders heftig schlagen. Doch das tat es nicht. Ich legte meine Hand auf die Brust, spürte jedoch kein Pochen, nichts. Ich fühlte mich seltsam hohl.
    »Ähm, entschuldigen Sie bitte?« Ich räusperte mich, meine Stimme klang ganz kratzig. »Könnten Sie mir bitte sagen, wo ich bin?«
    »Nordkalifornischer Transit.«
    Schatten huschten über sein Gesicht, während wir den Highway entlangrasten.
    »Wohin fahren wir?«
    »Big Sur zum Coyote-Point-Park.«
    Coyote Point? Das war nur zwanzig Minuten von meinem Zuhause entfernt. Ich schaute durch das kühle Glas und versuchte, die Landschaft draußen zu erkennen, doch es war zu dunkel, und wir fuhren zu schnell. Ich wischte die angeschlagene Scheibe frei, aber das half auch nichts.
    »Wie bin ich hierhergekommen?«
    Der Mann lachte.
    »Das fragst du mich?«
    Seine Stimme erinnerte mich ein wenig an die meines Großvaters Frank. Liebenswert-sarkastisch. Doch mir war nicht zum Scherzen zumute.
    »Warten Sie einen Moment!« Erneut spähte ich aus dem Fenster und glaubte, etwas wiedererkannt zu haben. War das da hinten ein Leuchtturm? Vielleicht sogar Pigeon Point, wo Dad oft mit uns hingefahren war, um Frisbee zu spielen? Ich presste meine Nase gegen das Glas.
    Das war es doch! Oder nicht?
    Ich rief dem Busfahrer zu: »Sir? Können Sie mich bitte zu meinem Haus fahren? Es ist ganz in der Nähe. Meine Mom und mein Dad werden für die Fahrt bezahlen, ich schwör’s.«
    Er fuhr weiter, ohne zu antworten.
    »Sir?« Ich wollte aufstehen und zu ihm gehen, doch in dem Moment machte der Bus einen Schlenker, und ich fiel in meinen Sitz zurück.
    Krawumm.
    Ich versuchte es erneut und tastete mich allmählich den Gang entlang. » Sir? Sir, bitte.« Sitz für Sitz hangelte ich mich langsam nach vorn und gab mir alle Mühe, das Gleichgewicht zu halten. Meine Schuhsohlen klebten ein wenig am Boden, als hätte dort jemand Limonade verschüttet und sich nicht die Mühe gemacht, sie aufzuwischen.
    Es dauerte eine Weile, aber schließlich schaffte ich es bis zu dem Sitz direkt hinter dem Fahrer. Mir war ein bisschen schwindelig von all dem Hin-und-her-Geschwanke.
    »Entschuldigen Sie«, sagte ich noch einmal, diesmal lauter. »Ich habe Sie gefragt, ob Sie mich nicht bei meinem Haus absetzen könnten? Die Adresse ist Magellan Avenue Nummer 11, gleich nach der Ausfahrt Cabrillo.«
    »Außerplanmäßige Halts sind verboten.«
    Da wurde ich wieder nervös. Wie sollte ich nach Hause kommen? Ich hatte weder ein Handy noch Geld oder sonst etwas bei mir.
    »Wo sind die anderen?«
    Krawumm.
    »Schon ausgestiegen.«
    »Wie lange habe ich geschlafen?«
    Krawumm.
    »Lange.«
    »Warum haben Sie mich nicht geweckt?«
    »Ist nicht mein Problem.« Er griff zum Mikrofon. »Letzter Halt in zwei Minuten.« Ein schrilles hohes Quietschen drang aus dem Lautsprecher, und ich zuckte erschrocken zurück und hielt mir die Ohren zu.
    Wir fuhren schweigend weiter durch die Nacht, bis ich hörte, wie der Bus mit einem Ächzen in einen tieferen Gang schaltete. Wir fuhren langsamer. Unter den Rädern knirschte es, als wir auf einen mit Schotter ausgestreuten Parkplatz fuhren. Direkt vor uns leuchtete ein rotes Neonlicht. Ruckelnd und knirschend kam der Bus zum Stehen, bevor der Motor mit einem letzten tiefen Stöhnen erstarb.
    Wieder rieb ich mir an dem angelaufenen Fenster ein Guckloch frei und versuchte, das Neonschild zu entziffern, das mir seltsam vertraut vorkam.
    Moment mal. Was?
    In meinem Kopf drehte sich alles, als plötzlich längst vergessene Erlebnisse, Geräusche und Gerüche auf mich einströmten. Ein Tornado aus glühend stechenden Schmerzen, Sternschnuppen und unendlich tiefen schwarzen Löchern. Gelächter und Tränen und das Echo der Schreie eines Jungen, der mir etwas über einen qualmverhangenen Highway zurief, auf dem überall Motorradteile verstreut lagen. Kerzen und Platzangst und Erde und Feuer und Matsch, durch die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher