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Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Titel: Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
Autoren: Jess Rothenberg
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meine pathologischen Herzgeräusche gewesen, die mich umgebracht hatten. Ich war an gebrochenem Herzen gestorben.
    Plötzlich schossen mir sämtliche Ereignisse dieses Abends mit solcher Wucht wieder ins Gedächtnis, dass ich den Halt verlor und versuchte, mich am Arm eines Arztes festzuhalten. Doch meine Hand glitt durch ihn hindurch, und ich fiel zu Boden. Nicht, dass das irgendjemand bemerkt hätte.
    Ich erinnerte mich plötzlich an die letzten Worte, die Jakob mir über den Tisch hinweg gesagt hatte. Die letzten Worte, die ich als Lebende gehört hatte. Die vier schlimmsten Worte in der Geschichte der Sprache.
    Ich liebe dich nicht.
    Direkt danach nahm alles um mich herum einen seltsamen, ekelhaften Grünton an. Dann wurde mir schwarz vor Augen, und mir schoss jener klopfende, schneidende Schmerz durch die Brust, der schrecklicher war als alles, was ich je empfunden hatte oder mir je hätte vorstellen können.
    Ich legte die Hand auf meine Brust und horchte. Wartete. Aber es war kein Pochen zu hören. Kein vertrautes Bu-bum, Bu-bum . Einfach nichts.
    »Ein Herz reißt nicht einfach auseinander«, hörte ich einen Arzt sagen.
    Hm, sollen wir wetten?
    Ich hätte sie am liebsten sich alle hinsetzen lassen und es ihnen erklärt, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt hätte.
    Vielleicht hätten sie, wenn sie in jener Nacht an meiner Stelle gewesen wären und gehört hätten, was ich hörte, oder gefühlt hätten, was ich fühlte, vielleicht hätten sie dann verstanden, wie es zu einem solchen Tod kommen konnte. Vielleicht hätten sie ihre wissenschaftlichen Tatsachen und ihre ausgezeichneten medizinischen Studienabschlüsse für einen Moment ignorieren können – nur für eine bemerkenswerte Minute – und hätten versucht, ein einziges Mal mit dem Herzen anstatt mit dem Kopf zu denken.
    Hätten sie das getan, wäre es mir vielleicht auch erspart geblieben, von einem Pathologen aufgeschlitzt und untersucht zu werden, nur damit dieser bestätigen konnte, was bereits jeder auf meinem Röntgenbild gesehen hatte.
    »Ihr werdet euch alle richtig blöd vorkommen«, rief ich, während ich den Ärzten nachlief, die mich in den Aufzug schoben und auf P für PATHOLOGIE drückten. Ich meine den Ort, an dem niemand enden möchte. Die Pathologie ist an sich schon schaurig genug, aber glaubt mir, es ist dort noch viel schauriger, wenn du selbst diejenige bist, die da kalt und steif – ach ja, und splitternackt natürlich – auf dem Seziertisch liegt und von allen angestarrt wird.
    Nicht dass das noch tatsächlich, wirklich ich gewesen wäre. Mein wahres Ich saß auf einem anderen Tisch am Ende des Raums, kickte mit den Füßen gegen den Metallrahmen und knabberte nervös an den Nägeln. Sah zu. Wartete. Hoffte, jemand würde zuhören.
    »Da steht es schwarz auf weiß, Leute!«, rief ich und zeigte auf das Bild meines gebrochenen Herzens. »Reicht euch das denn nicht?«
    Offenbar nicht.
    Und das gefiel mir ganz und gar nicht. Die ganze Sache war eine ungeheure Verletzung meiner Privatsphäre. Ich wollte nicht, dass irgendein Fremder mich aufschlitzte, sodass sie in mich hineinglotzen und alle meine Geheimnisse aufdecken konnten.
    Mein gebrochenes Herz ging nur mich etwas an. Niemanden sonst.
    Hinter alldem steckte mein Dad. Der ewige Wissenschaftler, der die Dinge begreifen musste. Für ihn war mein Tod ein Puzzle, aus dem er nicht schlau wurde. Also musste er der Sache auf den Grund gehen. Obwohl Mom ihn gebeten hatte, es nicht zu tun und mich ganz zu lassen. Aber er konnte seine Tochter nicht beerdigen, ohne zu wissen, woran sie gestorben war.
    Bedauerlicherweise gab es nur eine Möglichkeit, dies herauszufinden.
    Und im Nachhinein muss ich zugeben, dass es wohl nötig war, dass sie mich aufschnitten, damit auch ich es wirklich glauben konnte.
    Ich konnte nicht hinsehen, als der Pathologe den Einschnitt vornahm. Ich kniff die Augen fest zusammen und hielt den Atem an, als seine Klinge ihren langsamen schrecklichen Weg meinen Brustkorb hinunter nahm.
    Sie öffneten mich. Komplett. Bis in den entlegensten Winkel drangen sie vor. Mit ihren neugierigen Augen schauten sie so tief wie möglich in mich hinein. Führten alle möglichen Untersuchungen durch. Hielten alle ihre Erkenntnisse fest.
    Nicht, dass mir das in irgendeiner Weise geholfen hätte.
    Aber als sie meinen Brustkorb durchbrachen und mein beinahe sechzehn Jahre altes Herz freilegten, glaubte ich fast, dass es auch ihnen das Herz ein klein wenig brach.
    Da lag es, genau
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