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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel
Autoren: Nicola Förg
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Speiden nicht.
    »Also,
rekapitulieren wir.« Evi zog ihre Unterlagen heraus. »Hier ist das Wetter schon
früher umgeschlagen als in Kempten. Es gab einen Mordssturm, etwa ab 14 Uhr,
meinten einige. Das Gewitter setzte um circa 15 Uhr ein, um 16 Uhr 30 war es
vorbei. Das Ehepaar ist dann hinaufgestiegen und war um 16 Uhr 40 im Innenhof.
Sie waren um 16 Uhr 50 wieder auf der Alp herunten, haben alle rebellisch
gemacht, und die Pfrontner Kollegen waren um 17 Uhr 15 am Tatort. Sie haben uns
dann umgehend angerufen.«
    Die Tür zur
Wirtschaft ging auf. Es war der Schafbesitzer von der Alp, der wohl ein Bier
auf den Schock trinken wollte. Gerhard bat ihn, sich an den Tisch zu setzen.
Der Mann bestellte sich ein dunkles Bier und seufzte tief.
    »D Svenja war scho
eabbas ganz Bsonders. Nia a Gschieß gmacht und nia auf d Goscha gfalla! Dr
Peter dienet, mei Nachbar, der heißt iberall ›dr schwer vermittelbare Peter‹,
weil der fir sein Hof vor lauter Graffl und Glump nia a Frau find. Und dr sell
isch umd Svenja scharwenzlat. Und do hot sui ihm vorgschlaga, sie kunnt dia
Spritza mit der Entwurmung au em Peter gäh statt de Schumpa. Und dann hot der
neabadett and Wand na gsoicht. Und d Svenja hot gsait: ›Reviermarkierung,
gell?‹ Und scho war dr Kittl gflickt! Und jetzt soll sui tot sei?«
    Er nahm sein
Bierglas auf, prostete Gerhard zu. Der prostete zurück, starrte in seinen
Teller. Nur das Kratzen seines Messers war zu hören. Ewigkeiten vergingen.
    »Wissen Sie etwas
über ihre Familie? War sie verheiratet?«, fragte Gerhard schließlich.
    »D Svenja, na! Do
hot’s scho amol a Gschpusi gäh, aber kuin für länger, verzehlt ma sich. Dia
meischte waret für d Svenja Hosasoicher.«
    »Eltern?«
    »I wois it. I wois
bloß, dass d Svenja kui Ratschkattl war. Drum wois i au nix.«
    Das war Allgäuer
Logik, dachte Gerhard. Schließlich verabschiedete man sich.
    Gerhard klopfte dem
Schafbauern noch mitfühlend auf den Rücken. Evi schüttelte kaum merklich den
Kopf. Gerhard sah ihm nach und wandte sich dann Evi zu.
    »Fahren wir mal zu
ihrer Privatadresse in Immenstadt«, sagte er und warf ihr den Autoschlüssel zu.

2
    Evi chauffierte
gemächlich. Es war bereits dunkel, und sie waren allein auf der Straße. Nach
dem heftigen Gewitter schien sich niemand mehr hinauszutrauen. Um 21 Uhr 30
waren sie »Unter den Eichen« angelangt. Eine Wohnlage so nah am Zentrum und
doch so still wie ein Grab. Grab?
    Gerhard liebte das
Städtle. Immenstadt galt Gerhard immer schon und heute mehr als früher als
erstrebenswerter Wohnort. Es war putzig, liebenswert, und Gerhards geliebte
Mountainbikerouten und Skitourenberge begannen wirklich direkt hinterm
Marienplatz. Das war seine Welt – jetzt, wo Kempten zu allem Überfluss mehr und
mehr auf Weltstadt machte mit einem Einkaufszentrum, in dem Gerhard bei seinem
einzigen samstäglichen Einkaufsversuch von klaustrophobischen Anfällen
heimgesucht worden war. Forum Allgäu, was für ein hochtrabender Name dafür,
dass sich schwitzende Menschen auf Rolltreppen drängten und in Geschäften
ballten, die eh keiner brauchte – fand Gerhard. Und eine Big Box hatte er auch
nicht nötig. In Ermangelung von Freizeit musste er sich über Konzerte und Co.
wirklich keine Sorgen machen. Wenn Gerhard überhaupt mal auf Kultur machte,
dann im Jazzfrühling, und auch dann mied er Konzerthallen. Am liebsten waren
ihm Veranstaltungen auf der Höfle-Alp im Bergbauernmuseum, wenn die Musik mit
der Umgebung verschmolz. Hätte einer Gerhard gefragt, was seine Lieblingsband
sei, dann hätte er immer die Kerberbrothers genannt. Menschen, denen es gelang,
einem Alphorn und einem Hackbrett solche jazzigen Klänge zu entlocken, die
bewunderte Gerhard aufrichtig. Vor allem, weil sie unaufgeregt und völlig bar
aller Starallüren waren. Wenn das nun jemand als Alpenfusion bezeichnete, ging
das Gerhard eher am Allerwertesten vorbei. Die Jungs waren gut – Punktum, aus,
Äpfel, Amen. Gerhard war keiner für aufgeblähte Begriffe – auch beim Ausdruck
»Fusionsküche« zuckte er zusammen. An einem Schweinsbraten gab’s nix zu
fusionieren! Nein, Kempten mit Großstadtbrimborium war nicht das seine, dann
doch lieber Immenstadt.
    Ein Schlüssel –
natürlich der letzte, den Gerhard ausprobierte – sperrte auf. Es handelte sich
um eine kleine Zweizimmerwohnung, eher spärlich möbliert mit Naturholzmöbeln,
die so wirkten, als besitze Svenja dieses Mobiliar seit ihrer Studienzeit und
habe sich in Ermangelung von Zeit
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