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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel
Autoren: Nicola Förg
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Konnten Sie schon Personalien feststellen?«, fragte
Gerhard, nun absolut bei der Sache.
    Die beiden
schüttelten den Kopf.
    »I hon nix agrührt«,
sagte der Ältere schließlich.
    Gerhard trat näher
heran. Die Frau trug eine abgeschnittene Jeans und ein Top, wenig Platz für
Identitätsnachweise. Er musste an diese Visa-Reklame denken, bei der die
Badeanzug-Nixe die Visa-Karte hinter der Pobacke rauszaubert. Unpassender
Gedanke! Gerhard wandte sich der Leiche zu. Sie war kräftig, keine Modelmaße,
aber auch nicht schwammig. Ihre Hände waren alles andere als zart, ihre
Oberarme muskulös, und sie hatte über den ganzen Körper verteilt blaue Flecken,
in verschiedenen Zustandsformen, die meisten waren schon im Gelb-Braun-Stadium.
Ihr langes blondes Haar war ausgebreitet, umgab sie wie ein Stern. Der Regen
hatte das Haar zu Strähnen verklebt. Die Sonne, die nach dem Gewitter wieder
herausgekommen war, spielte nun auf einigen noch nicht wieder getauten
Hagelkörnern. So, als hätte die Frau Diamanten im Haar. An ihrer Jeans war ein
Schlüsselbund mit einem Bergsteiger-Karabiner eingehakt. Vorsichtig entfernte
Gerhard den Schlüsselbund, und ebenso vorsichtig ließ er Spritze und Röhrchen
in eine Plastiktüte gleiten. Sonst war hier erst mal wenig, was es zu sichern
gab.
    Die Frau sah nun
wirklich nicht wie eine Drogenabhängige aus. Keine Einstiche. Sie wirkte so
gesund, dachte Gerhard. Wenn man mal davon absah, dass sie tot war. Gerhard
hasste diese bange Zeit, die oft allzu lang anhielt, bis die Leiche einen Namen
hatte. Namen bedeuteten Identität, namenlose Opfer waren ihm ein Gräuel. Aber
vielleicht war er da auch merkwürdig gestrickt. Er erinnerte sich an einen
längeren Trip durch Kanada. Auf Partys im Ahornland hatten die Leute immer
zuerst gefragt: Wie heißt du? In Deutschland war die erste Frage: Und was
machen Sie beruflich? In dieser Frage war meist schon ein leicht aggressives
Tremolo enthalten. Und je nachdem, wie die Antworten ausfielen, stand der
Sozialneid in den Augen geschrieben: bei Gehirnchirurg etwa oder
Lufthansapilot. Bei Polizist lächelten die Leute meist beruhigt. Endlich einer,
der einen noch blöderen Job hatte als man selbst.
    Und diese nicht mehr
ganz junge Frau. Was hatte die wohl beruflich gemacht?
    Der uniformierte
Kollege deutete auf einen Mann, der an der Mauer lehnte. »Des isch der Notarzt.
Den hot ma alarmiert. Ma hot ja it gwisst …«
    Gerhard nickte. Er
winkte den Notarzt herüber, der angeschlendert kam, als spaziere er auf der
Seepromenade unten am Hopfensee. Er war ein kleines Männchen mit
Bürstenhaarschnitt, viele Fältchen umspielten seine Augen. Er hatte was von
einem Hobbit.
    Gerhard grüßte und
schwenkte das Röhrchen im Plastikbeutel unter seiner Nase. »Drogen? Sie sieht
gar nicht so aus.«
    Ein Hobbitgrinsen,
dann schaute der Notarzt Gerhard fast strafend an: »Keine Drogen! Die Kollegen
von der veterinärmedizinischen Abteilung sind einfach ein bisschen krass, wenn
sie sich suizidieren.«
    »Wie?
Veterinärmedizin?«, fragte Gerhard.
    »Nun, ich gehe davon
aus, dass diese junge Dame Tierärztin ist oder war.« Er deutete auf das
Röhrchen. »Euthanyl Forte, das ist ein Barbiturat in der Großtierkonzentration.
Das hätte einen Elefanten umgehauen.«
    »Also ein Selbstmord
mit einem Medikament für Viecher?« Gerhard klang ungläubig.
    »So sieht es für
mich aus. Sozusagen hat sich die Kollegin selbst eingeschläfert.« Der Hobbit
lachte, und seine Äuglein funkelten.
    Gerhard entfuhr ein
merkwürdiger Laut.
    »Ja, so ist das!
Tierärzte verwenden alles, was in der Praxis nicht niet- und nagelfest ist. Ich
hab mir allerdings sagen lassen, dass beispielsweise T 61 keine schöne Art ist,
aus dem Leben zu scheiden, das haben meist Pferdepraktiker zur Hand. Aber
letztlich eignet sich alles, mit dem man Tiere einschläfert. Meist ist das eben
eine Überdosis Barbiturat, quasi das Äquivalent zum Röhrchen Schlaftabletten,
nur entsprechend gespritzt und damit effektiver. Ganz Perverse haben auch schon
zum Bolzenschussgerät gegriffen, was üble Komazustände nach sich ziehen kann.
Aber das Bolzenschussgerät ist wahrlich nicht in jeder Großtierpraxis
vorhanden. Da sind dann eher die Schlachter gefährdet.«
    Gerhard starrte den
Mann an. T 61? Bolzenschussgeräte? Hilfe, wenn das Humor sein sollte, war der
nachtschwarz.
    »Sollte es ein
Selbstmord sein, dann haben wir hier wenig verloren. Können Sie Fremdeinwirkung
ausschließen? Und was ist mit den blauen
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