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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel
Autoren: Nicola Förg
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einfühlsamer Mensch. Svenja redete nie
viel und selten über sich selbst. Als sie da bei Einstein am Grab gesessen
hatten und es stockdunkel geworden war, da hatte Svenja mal durchblicken lassen,
dass sie für das himmelschreiend teure Pflegeheim ihres Vaters aufkommen
musste. Sie hatte sich nicht beklagt. Sie hatten beide ins Schwarz der Nacht
gestarrt, als Svenja gesagt hatte: »Hast du nicht auch das Gefühl, dass Worte,
die wir im Dunkeln sprechen, ihre Gestalt ändern? Sind sie nicht deutlicher als
die im Licht gesprochenen?« Darüber hatte Jo lange nachgedacht und darüber,
dass in Svenja ungeahnte Tiefen schlummerten, an die sie wohl kaum jemanden
heranließ.
    Vor einigen Tagen
war Svenja zuletzt da gewesen, einfach so, auf einen Cappuccino, denn Jos
Cappuccino war legendär: besser als beim Italiener und stets mit
Katzenbegleitung, weil Jos Feinschmecker-Katzen-Truppe den Gästen den
Milchschaum von den Tassen klaute. Svenja hatte wenig Zeit gehabt, und wie
immer hatte sie was vergessen. Ein Notizbuch, das irgendwie wichtig aussah. Jo
hatte angerufen, um den Verlust zu melden. »O ja, Mist, das hab ich vergessen.
Stell es halt sicher. Behalt es, bis ich wiederkomme«, hatte Svenja gesagt. Nun
war sie heute aber nicht wiedergekommen.
    Als um 17 Uhr 30 der
Anruf kam, war Hauptkommissar Gerhard Weinzirl gerade damit beschäftigt, einen
Berg aus Post, Zetteln, Akten und Protokollen abzubauen. Ein riesiger Müllberg,
und irgendwo musste die Notiz stecken, die Gerhard suchte. Er fluchte vor sich
hin. Es war heiß. Einige Wetterkundler prognostizierten schon Palmen am Alpsee.
Auf eine Periode der trockenen Hitze waren Gewitterfronten gefolgt. Seit Tagen
hatte Gerhard das Gefühl, in heißen Wickeln zu liegen, so wie früher bei seiner
Oma, die der Grippe immer Wadenwickel entgegengesetzt hatte. Aber das hier
waren Ganzkörperwickel! Gerhard schwitzte, ja selbst sein Uli-Stein-Kater und
seine Uli-Stein-Maus aus Plastik, die seinen Computer zierten, schienen zu transpirieren.
Das Telefon schellte. Jetzt bloß nichts Wichtiges, flehte er innerlich, denn
eigentlich hatte er soeben beschlossen, das Müllumgraben zu beenden und zu
gehen.
    Seine Kollegin Evi
Straßgütl war dran. »Kam gerade rein. Eine weibliche Leiche, so um die vierzig.
Sie liegt …«, Evi stutzte, »in der Ruine Eisenberg. Wo um Himmels willen ist
das?«
    »Bei Pfronten. Wer
hat denn angerufen?«, fragte Gerhard.
    »Kollegen, die sind
wohl am Tatort. Wo auch immer der liegt. Sie machten mir den Eindruck, als
hätten sie die Sache nicht ganz im Griff.«
    »Los, fahren wir. In
zwei Minuten unten.«
    Als er ins Auto
sprang, hätte Gerhard längst wieder duschen wollen. Die Luftfeuchtigkeit war
tropisch. Zwar hatte es geknallt und gedonnert, und Hagel war niedergegangen
wie beim Jüngsten Gericht, aber Abkühlung hatte es keine gegeben. Die Sonne war
wieder draußen, jetzt um halb sechs so penetrant, als sei es Mittag. Gerhard
hatte das ungute Gefühl, dass sie an der falschen Stelle hing. Nichts war im
Lot in den letzten Tagen.
    Er donnerte über die
Autobahn – nicht lange, denn seine rasende Fahrt wurde mehr und mehr durch eine
winterweiße Fahrbahn abgebremst. Natürlich war das kein Schnee, das waren
Hagelkörner, zusammengepappt zu einer Masse, die wie eine Schneedecke aussah
und die Wirkung von Schmierseife hatte. Kurz vor der Ausfahrt Nesselwang fuhren
Schneepflüge, und ein Polizeiwagen stand quer.
    Gerhard bremste
scharf ab, rutschte auf die Kollegen zu. Evi sah ihn strafend an, sie hasste
es, wenn Gerhard so raste. Sie hielt ihren Kollegen den Ausweis unter die Nase.
    »Wir müssen nach
Eisenberg.«
    »Mmm«, machte der
Kollege, »aber ohne Amphibienfahrzeug kommt ihr hier nicht durch. Alles
überflutet Richtung Nesselwang. Kennt ihr euch aus?«
    Evi sah Gerhard an,
der nickte.
    »Dann fahrt Richtung
Seeg und am Schwaltenweiher vorbei. Viel Glück. Es isch wegen der Leich, oder?
Kam über Funk.«
    Gerhard nickte
wieder und tippte sich an eine imaginäre Mütze und fuhr mit quietschenden
Reifen los. Evi sagte nichts, erst ein Hinweisschild mit Namen »Goldhasen« ließ
sie ihr Schweigen unterbrechen. »Goldhasen! Wo sind wir hier bloß hingeraten?«
    Völlig unvermittelt
schnauzte Gerhard sie an: »Das ist doch ein verdammt netter Name.« Jo hätte
jetzt wissen wollen, wieso der Ort so heißt, und hinfahren müssen, wahrscheinlich
hätte sie das Schild fotografiert und zu allem Überfluss die Hasen gesucht.
Verdammt, Jo!
    Er schoss viel
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