Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel
Autoren: Nicola Förg
Vom Netzwerk:
ein Mordskumpel – und inzwischen eine Stunde zu spät. Jo ging vor
die Tür. Wind war aufgekommen und der Himmel schwarz geworden. Ganz hinten, am
Horizont, lag ein Streifen in einer gallig gelben Farbe. Ein Gewitter würde
aufziehen. Jo ging auf die Ostseite ihres Hauses und sandte einen Blick zu den
Pferden hinüber, die nicht etwa grasten, sondern säuberlich aufgereiht in ihrem
Unterstand standen, wo sie doch gerade erst Freiheit erfleht hatten. Sie waren
steif wie Modelle aus Gips und starrten unter dem Dach hervor.
    Kater Moebius von
Atzenhuber schoss vorbei, seine Mutter Frau Mümmelmaier von Atzenhuber ging
gemessenen Schrittes hinterher, ohne Jo auch nur mit dem Arsch anzuschauen. Und
dann fielen schon die ersten Hagelkörner. Jo raffte ihre Pferde-Führstricke
zusammen, die noch herumlagen, und rannte ins Haus. Als sie dort war, tobte
bereits ein Inferno. Der Wind hatte zwei Blumentöpfe von der Fensterbank
gefegt, Vorhänge flatterten wie zerrissene Segel eines Schiffchens in akuter
Seenot. Jo warf die Fenster zu und sich auf den Küchenstuhl.
    »Scheiße, ich hasse
den Sommer. Er ist wankelmütig und unberechenbar!«, fluchte sie.
    Auf dem Küchentisch
saßen die beiden Katzen, und ihr Blick sagte nur eins: Wieso lasst ihr Menschen
euch immer so viel Zeit? War doch klar, dass ein Gewitter kommt. Recht hatten
sie ja.
    Um acht in der Früh
hatte das Thermometer schon neunundzwanzig Grad angezeigt. Über Wochen hatte
sich dieser Sommer in immer neue Rekordversuche verstiegen. Jeden Tag schlug
einem eine Hitze wie Watte ins Gesicht. Das Atmen fiel schwer, Jo sehnte sich
nach einem kühlen Morgen mit einer Luft, die man schmecken und riechen konnte.
Die Aussichten darauf waren schlecht. Bei brütend schwülen dreiunddreißig Grad
hatte der Himmel am späten Vormittag begonnen, Wolken aufzuschichten. Erst
weiß, dann grau und dann bedrohlich schwarz.
    In Jos Brotkorb
schlug ein weiteres Tier gerade die Augen auf: Bianchi von Grabenstätt, Katze
Numero drei. Sie blinzelte Jo zu: Wir sind dem Menschen eben überlegen. Dann
drehte sie sich, drückte dabei ein verlassenes Croissant endgültig platt,
bildete den Katzenkringel erneut und versank in sanfte Träume. Jo hatte Bianchi
in einem Straßengraben gefunden, gerade mal sechs Wochen alt. Ausgesetzt,
einfach weggeworfen vor den Pfingstferien! Und weil das Tier bis auf einen
getigerten Schwanz, der aussah wie eine Ringelsocke, und einen Tigerfleck
hinterm Ohr ganz weiß war, hieß es Bianchi. Von Grabenstätt hatte Svenjadazu
erfunden – wegen der erdigen Herkunft und weil Svenja gefunden hatte, dass bei
zwei »Vons« die dritte Katze auch adlig sein müsse.
    »So viel Zeit muss
sein«, hatte sie gesagt und Jo ganz kurz die Hand gedrückt.
    Einige Wochen vorher
hatte sie Jos Katze Fräulein Einstein eingeschläfert. Einstein, Einstinchen,
Stinchen – jemand hatte sie angefahren, und sie hatte sich doch noch bis in Jos
Keller geschleppt. Svenja war in Rekordzeit da gewesen, hatte alles Nötige
getan. Auch einen Karton gefunden, ein Erdloch gegraben und sich Jos
ekstatische Weinkrämpfe angehört. »Sie war doch noch so jung. Sie hatte es doch
eh so schwer. Sie war ein so armes Tier. Sie hätte doch leben müssen.«
    Svenja hatte
genickt. »Aber sie hatte ein schönes Jahr bei dir. Das ist viel. Viel mehr, als
andere Tiere haben. Tiere denken nicht in Kategorien wie Vergangenheit,
Gegenwart und Zukunft. Einstein hat ein gutes Katzenleben gelebt.«
    Svenja, die
abgeklärte Tierärztin, hatte es in keiner Weise komisch gefunden, dass Einstein
als Grabbeigabe ein grünes, zerfleddertes Spielzeug mitbekommen hatte. Sie hatten
an Einsteins Grab Grappa gekippt, und dann war Mümmel gekommen. Sie hatte sich
vor den Grabhügel gelegt wie eine Sphinx, die Augen halb geschlossen. Jo hatte
geheult und Svenja auch. Geredet wurde nichts. Erst als Mümmel aufgestanden
war, standen die beiden Frauen auch auf. »Ich will nie mehr ‘ne Katze«, hatte
Jo noch gesagt – bis sie Bianchi entdeckt hatte. Nass, die Augen verklebt, zwei
riesige Zecken in den Ohren, fiepend vor Angst und Kälte. Svenja war gekommen
und hatte wie immer wenig gesagt – nur: »Die kriegen wir wieder hin.«
    Jo lächelte an ihrem
Küchentisch. Svenja, die Gute. Svenja, die Praktische, die ihre blauen Flecken
immer mit Tensolvet für Pferde behandelte. »Wirkt besser als das Zeug aus der
Humanmedizin«, hatte sie gegrinst. Svenja war nur auf den ersten Blick so ein
burschikoser Kumpel, sie war auch ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher