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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel
Autoren: Nicola Förg
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nie um ein neues Wohnambiente kümmern können.
Die Regale quollen über von Fachbüchern, auf dem Schreibtisch lagen einige
Ausgaben der Fachzeitschrift »Grüner Heinrich« herum. Die kleine Küche besaß
ein typisches Single- IKEA-T ischchen,
das man hochklappen konnte. Und natürlich lungerte ein Billy an der Wand herum.
    Sie hatten noch
nicht mal ganz das Schlafzimmer erreicht, als eine schrille Stimme sie
herumfahren ließ.
    »Hände hoch! Bleiben
Sie stehen! Ich hol die Polizei!«
    Eine Frau hatte sich
im Gang aufgebaut, umweht von weißen Haarsträhnen, einen Schürhaken in der
Hand, in einen Morgenrock gewandet, der bis zum Boden reichte und so aussah,
als wären die letzten seiner Art spätestens im Zweiten Weltkrieg zu Decken für
die Ostfront umgearbeitet worden.
    »Die Hände lass ich
lieber unten«, sagte Gerhard unbeeindruckt, »denn nur so kann ich Ihnen meinen
Ausweis zeigen.« Er klappte schwungvoll ein Etui auf und bedachte die Frau mit
einem reizenden Lächeln, das besonders ältliche Damen völlig in seinen Bann
zog. Obwohl er mit dem etwas zu lang geratenen blonden Rauhaardackel-Haar nicht
unbedingt dem idealen Schwiegersohn glich, liebten ihn ältere Damen vor allem
in der Altersklasse, wo es weniger um Schwiegersöhne als um erwachsene Enkel
ging. Durchaus resolut nahm die Frau das Etui, ohne dabei den Schürhaken zu
senken, und studierte den Ausweis.
    »Und Sie da?«,
fragte sie in Evis Richtung.
    »Meine Kollegin«,
sagte Gerhard – jetzt mit warnendem Unterton in der Stimme. »Und selbst? Was
machen Sie in einer fremden Wohnung?«
    »Na, hören Sie mal,
die Frau Svenja ist oft länger aus. Und wenn dann ein Auto vorfährt, das nicht
ihres ist, und die Tür zu hören ist … Na, hören Sie mal, da sorgt man sich
doch!«
    »Und das stellen Sie
alles so binnen Sekunden fest? Respekt!«
    Die Ironie in seiner
Stimme entging ihr anscheinend gänzlich. Aber deutlich zahmer sagte sie:
    »Na, hören Sie mal.
Svenjas Auto hören Sie doch schon, wenn sie durch Stein fährt oder von Zaumberg
runterkommt. Das ist ein Lastwagen!«
    »Da haben Sie Recht!
Und Sie sind?«
    »Na, hören Sie mal,
die Hausfrau natürlich.« Die Betonung lag auf »die«, ein alles umfassendes
»die« – das Hausbesitzerin, Hauswartin, Hausmeisterin, Hausdrache und ähnliche
Komposita einschloss.
    »Namens?«
    »Ach so.
Bodenmüller, Edeltraut Bodenmüller. Und was wollen Sie hier?«
    »Frau Bodenmüller,
es tut mir Leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Svenja tot ist. Wahrscheinlich
Selbstmord«, sagte Gerhard ohne weitere Vorbereitungsreden.
    Frau Bodenmüller
japste nach Luft, dann sank sie gegen den Türrahmen. Gerhard konnte sie gerade
noch auffangen. Die Frau hatte das Gewicht eines ausgewachsenen Nashornbullen.
Mit Evis Hilfe bugsierten sie Frau Bodenmüller in ihre gute Stube, in der
Wohnung, die gegenüber von Svenjas lag.
    Gute Stube, ja das
war ein interessanter Ausdruck für einen Raum, der sozusagen ein Häkelmuseum
war. Häkeldeckchen waren über alles gebreitet, was zu bedecken war: Sessel,
Kopfteile der Sessel, Tisch, Beistelltischchen. Häkeldeckchen fungierten als
Untersatz für Pflanzen, ja sie waren sogar hinter Glas als Bilder gerahmt. Auf
dem breiten Fensterbrett lag ein weinrotes Kissen mit Häkeldeckchen in
Himmelblau, und darauf thronte eine Perserkatze. Besser ein Kater, wie sie
sogleich erfuhren. Ein graues Monstrum namens »Bubele«, das wohl besser Conan
oder Diavolo geheißen hätte, angesichts seiner grob geschätzten acht Kilo und
des diabolischen Blicks. Ein Zahn ragte aus dem Maul des Katers, und er
sabberte.
    Evi hatte der Frau
ein Glas Wasser aus der aseptisch sauberen Küche geholt, und allmählich kam sie
wieder zu sich. Nachdem Gerhard die Umstände von Svenjas Tod mehrfach erklärt
hatte, auch den Umstand, dass es wohl ein Suizid sei, sagte Frau Bodenmüller
immer wieder gebetsmühlenartig:
    »Man kann nicht
reinschauen in die Leute. Lieber Himmel!«
    Sie schüttelte den
Kopf, dass die Haarsträhnen flogen, und schließlich konnten sie ihr einige
Informationen entlocken.
    Neben dem bereits
bekannten Namen des Katers erfuhren sie, dass Svenjas Mutter vor Jahren
gestorben war, keine Geschwister hatte und ihr Vater in einem Pflegeheim in
Stade im Alten Land lebte, an schwerer Demenz und Parkinson litt und doch »der
liebe Herrgott noch nicht willens war, ihn heimzuholen«, wie sich Edeltraut
Bodenmüller äußerst pathetisch auszudrücken pflegte. Es sprudelte nur so aus
ihr heraus, und
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