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Weinzirl 03 - Kuhhandel

Weinzirl 03 - Kuhhandel

Titel: Weinzirl 03 - Kuhhandel
Autoren: Nicola Förg
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obwohl das ja nun
reine Geschmackssache war, kam Gerhard schlagartig noch schlechter drauf. Wie
konnte jemand Freitag in der Frühe Kräutertee trinken?
    Die Praxis von Dr.
Ostheimer lag im Ortsteil Dorf. Ein umgebautes Bauernhaus, in dessen ehemaligem
Stall und Erdgeschoss die Praxis lag und in dessen erstem Stock sich eine
Wohnung befand. Sie schien vermietet zu sein, zumindest stand Ostheimers Name
nicht auf der Klingel. Dr. Ostheimer öffnete selbst. Er war ein großer,
schwerer Mann mit einer Nase, die verriet, dass Ostheimer im Laufe seines
Lebens das eine oder andere Schnäpschen zu viel gehabt hatte. Er reichte
Gerhard eine schwielige Hand und nickte Evi zu.
    »Polizei? Ja, was
sonst?«, rief er ungehalten und so, als spräche er zu sich selbst und hätte die
Existenz von Gerhard und Evi völlig vergessen. Dann ging ein Ruck durch den
Mann. »Entschuldigen Sie, aber ich bin etwas neben der Spur. Ich habe heute
früh von Svenjas Tod erfahren und«, er machte eine linkische Handbewegung,
»kommen Sie rein, das da gefunden.«
    Sie durchschritten
einen Gang, der gleichzeitig als Empfangsraum diente, gingen durch einen
Behandlungsraum und kamen in ein kleines Büro. Ostheimer deutete auf den Tisch.
Dort lag ein Computerausdruck.
    »Lieber Dr.
Ostheimer, liebes Röschen. Ich hoffe auf euer Verständnis, aber ich kann so
nicht weitermachen. Meine Schulden sind zu gewaltig, als dass ich damit noch
ein integres Leben führen könnte. Es ist besser, ich mache Schluss. Ich danke
euch für die schöne Zeit bei und mit euch. Svenja. P.S.: Beim Huberbauern bitte
die drei Katzen unentgeltlich sterilisieren. Das hab ich ihm versprochen. Das
wäre meine letzte Bitte.«
    Gerhard sah Dr.
Ostheimer fragend an.
    »Ein Abschiedsbrief,
oder wie sehen Sie das?«, fragte der Arzt in leicht aggressivem Ton. Und zum
zweiten Mal entschuldigte er sich gleich wieder. »Ich bin etwas neben der
Spur.« Er bat Gerhard und Evi in eine voll eingerichtete Küche, und dort saß
eine kleine, völlig verheulte Frau.
    »Röschen, äh,
Rosemarie, meine Frau. Sie arbeitet auch in der Praxis. Sie pflegte ein sehr
freundschaftliches Verhältnis zu Svenja und ist, und ist …« Er zuckte mit den
Schultern und wirkte, als könne er mit weinenden Frauen nun gar nichts
anfangen.
    Das klang bitter,
dachte Gerhard. Hatten sich da die Damen gegen den Chef des Hauses
zusammengerottet?
    Röschen reichte
Gerhard und Evi die Hand und schenkte den beiden zitternd und bebend Kaffee
ein. Sie war zierlich, hatte einen modischen Kurzhaarschnitt, war circa fünfzig
Jahre alt und hätte jünger gewirkt, wenn nicht die vielen kleinen Fältchen um
ihren Mund gewesen wären. Sie war sehr gepflegt – und attraktiv. Sie strahlte
etwas Echtes aus, etwas Ehrliches.
    »Wenn sie uns doch
was gesagt hätte! Wir hätten ihr doch geholfen. Nicht wahr, Karl?«
    Ostheimer nickte.
    »Wir müssen
unbedingt diese Katzen kastrieren, Svenjas wegen.« Zu Gerhard und Evi gewandt,
sagte sie: »So war sie. Ein großes Herz für Tiere. Für die Menschen hatte sie
eher ambivalente Gefühle. Den Huber hat sie verabscheut, aber wegen der Tiere
gab es für sie da kein Nachdenken. Die Kastration machst du noch heute, nicht
wahr, Karl?«
    Gerhard notierte
einen leicht panischen Unterton.
    Ostheimer nickte.
    »Sie hatten also
keine Ahnung von ihrer finanziellen Lage?«, fragte Gerhard in Richtung beider
Ostheimers.
    Er schüttelte den
Kopf, und Röschen meinte: »Ich wusste schon, dass dieses Pflegeheim für den
Vater astronomisch teuer war. Aber dass es so schlimm um sie stand …«
Ostheimers Frau schluchzte auf.
    Ostheimer legte ihr
etwas ruppig die Hand auf die Schulter. Sekundenlang gefror sie zu absoluter
Starre, dann weinte sie heftiger.
    Evi förderte ein
Taschentuch zutage, und Gerhard wandte sich an Ostheimer. »Ein Abschiedsbrief
aus dem Computer? Ist das nicht etwas komisch?«
    »Sie hat immer nur
mit dem Computer geschrieben. Ihre Handschrift war absolut unleserlich.«
    Gerhard warf einen
Seitenblick auf Röschen, die sich soeben schnäuzte. Frau Ostheimer schniefte
weiter und nickte.
    »Gibt es irgendwelche
Verwandten, die man informieren müsste? Oder einen Freund?«, wollte Evi wissen.
    »Nur den Vater. Der
ist, soweit ich weiß, schwerst dement. Ihre Eltern waren beide Einzelkinder.
Ich weiß das, weil ich sie vor drei Jahren auf die Beerdigung ihrer Mutter
begleitet habe. Es gab da aber eine entfernte Verwandte mit zwei Kindern. Ich
würde mich gerne drum kümmern, wenn Ihnen
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