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Was die Seele krank macht und was sie heilt

Was die Seele krank macht und was sie heilt

Titel: Was die Seele krank macht und was sie heilt
Autoren: Thomas Schäfer
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ein extremes Beispiel:
    Der Umgang mit Klienten hat gezeigt, daß das vorgetragene Problem nicht immer jenes ist, was die Seele gerne auf die Tagesordnung setzen möchte. Ein Mann kam in meine Praxis, um ein Berufsproblem zu lösen. Das schon beschriebene Stellen mit Symbolen wende ich des öfteren auch bei anderen Problemen an. Ich bat den Klienten daher, sich und seine Berufsmöglichkeiten im Raum zu plazieren. Es ergab sich folgendes Bild:

    M: Mann, 1: Berufsmöglichkeit 1, 2: Berufsmöglichkeit 2, 3: Berufsmöglichkeit 3. Die Einkerbung der Symbole zeigt die Blickrichtung an.

    Zunächst stellte sich der Mann auf das Symbol für die eigene Person, anschließend nahm ich diesen Platz ein. Auf dieser Position wurde man sofort unsagbar traurig und spürte einen deutlichen Stich im Herzen. Das Herz krampfte sich förmlich zusammen. Ich teilte das dem Mann mit und sagte: »Merkwürdig! Für eine Berufsaufstellung verstehe ich all das nicht. Hier handelt es sich um etwas ganz anderes.« Diese Vermutung hatte ich zum einen wegen der starken Trauer und der Herzschmerzen, zum anderen wegen der identischen Blickrichtung aller Symbole: Alles schaute in eine Richtung! Da fehlte etwas!
    Nach meiner Schilderung von dem Stich in der linken Brustseite erzählte der Klient, daß er tatsächlich mit dem Herzen zu tun habe. Eine Vermutung darüber, was ihm denn »auf dem Herzen liegt«, hatte er nicht. Er war sichtlich ratlos. Im zweiten Schritt nahm ich ein Papier mit Fragezeichen und legte es der Vierergruppe gegenüber, so daß das Fragezeichen die vier anderen anblickte:

    Auf dem Fragezeichen nahm ich wieder eine große Traurigkeit wahr, und eine Sekunde lang war mir, als sehe ich ein Kind, das zu ihm wollte. Doch ich traute meiner Wahrnehmung nicht und schwieg. Nach einer Weile sagte der Mann unvermittelt: »Das mit dem Fragezeichen könnte vielleicht mein unehelicher Sohn sein.« Es stellte sich heraus, daß er vor 30 Jahren einen Sohn gezeugt hatte, den er noch nie in seinem Leben gesehen hatte. Auch wenn sein Bewußtsein diesen Sohn fast vergessen hatte, die Seele erinnerte sich. Ich habe den Klienten ermutigt, über Ämter oder eine Detektei den Sohn ausfindig zu machen. Denn in seelischer Hinsicht ist es für beide von Bedeutung, daß sie Kontakt miteinander haben. Besonders für die Identitätsfindung des jungen Mannes ist es wichtig, seinen Vater kennenzulernen.
    Erst nachdem wir über all das gesprochen hatten, konnte ich ihm in der Berufsfrage einen Rat geben. Das Beispiel zeigt, daß selbst dann, wenn man überhaupt nicht an familiäre Probleme denkt, sie sich in den Vordergrund schieben können. Sie sind um vieles wichtiger als manch anderes Problem, das uns beschäftigt.
    Wie immer nun die Gruppe (Familie), in die wir hineingeboren wurden, beschaffen sein mag: Wir fühlen uns eng mit ihr verbunden. Das Kind erlebt diese Bindung als Liebe und Glück, unabhängig davon, wie es sich in der Gruppe entfalten kann oder auch verkümmert. Diese Liebe kann als Ur-liebe oder primäre Liebe bezeichnet werden.
    Mit unserem Gewissen reagieren wir auf alles, was die Bindung fördert oder sie in Frage stellt. Wir haben ein gutes Gewissen, wenn unser Verhalten die Gruppenzugehörigkeit bestätigt. Ein schlechtes Gewissen dagegen entsteht, wenn wir uns durch unser Verhalten von der Gruppe absetzen.
    In einer Mafiafamilie beispielsweise wird das Gewissen auf bestimmte Umstände völlig anders reagieren und andere Dinge für richtig halten als in einer Beamtenfamilie. Vom Standpunkt des Kindes gibt es kein Gut oder Böse. Für das Kind ist immer das gut, was seine Bezugsgruppe gut findet. In welche Richtung das Pendel des Gewissens auch ausschlägt, sein Ziel bleibt, die Bindung an die Ursprungsgruppe zu sichern.
    Nicht nur in der Familie dient das Gewissen dazu, die Bindung an die Gruppe aufrechtzuerhalten. Am Arbeitsplatz, im Fußballverein oder in unserem Freundeskreis sieht das Gewissen, das uns dazugehören läßt, jeweils anders aus. Doch die wichtigste Bindung des Menschen ist die an seine Familie. Erst danach folgen die Bindungen an größere Gruppen.
    Folgendes Beispiel kann die Intensität der Kind-Eltern-Beziehung verdeutlichen: Kinder stellen sich Eltern oft in den Weg, wenn diese keine Lust mehr am Leben haben und aus der Familie tendieren. Dieses »In-den-Weg-Stellen« kann durchaus wörtlich verstanden werden. Eine Klientin stellte sich in einer Symbolaufstellung genau vor den Vater. Als sie auf dem Symbol für ihre
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