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Was die Seele krank macht und was sie heilt

Was die Seele krank macht und was sie heilt

Titel: Was die Seele krank macht und was sie heilt
Autoren: Thomas Schäfer
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strahlte! Ich fragte sie, was passieren würde, wenn morgen ein Wunder geschehen würde und alle Probleme gelöst wären. Zunächst wurden ihre Augen traurig. Sie war sprachlos. Mit kraftloser Stimme sagte sie nach langem Zögern: »Ich müßte meine Frühverrentung rückgängig machen und arbeiten gehen. Ich mußte mir vielleicht auch um das Thema Partnerschaft Gedanken machen.« Dann wurde sie wütend auf mich: »Das ist alles Unsinn, was Sie sagen! Nie wird es ein solches Wunder geben! Was zehn Jahre kein Arzt und Therapeut zustande gebracht haben, werden auch Sie nicht erreichen! Das wäre ja noch schöner! Mir kann keiner helfen, keiner!« schrie sie. Es war offensichtlich, daß sie nur zu mir gekommen war, um sich die Hoffnungslosigkeit ihres Falles bestätigen zu lassen. Diese Vorstellung hatte für sie etwas Versöhnliches. Wer so reagiert wie diese junge Frau, ist, um es in Hellingers Sprache zu sagen, meist »systemisch verstrickt«. Die »Kinderseele« dieser Frau war offensichtlich glücklich, sich mit einem schlimmen Familienschicksal solidarisch fühlen zu können. Welche Ereignisse dazu führten, weiß ich nicht, denn sie war nicht bereit, auf das Thema Familie einzugehen, und kam auch nicht wieder. Selbst ein stark ermäßigtes Honorar war ihr noch zu teuer. Doch es hätte sie mehr als das Geld gekostet ... Die Erfahrung zeigt, daß Menschen, die beim Erzählen ihres Unglücks und ihrer Schmerzen stolz sind und dabei strahlen, sich unbewußt mit einem fremden Leid in der Familie solidarisieren. Wer sich für das Glück entscheidet, muß mit dem Abschied von seiner Kinderseele bezahlen.

Die Wirkung des Lösungsbildes

    Das bei Familienaufstellungen gefundene Lösungsbild wirkt auf die tatsächliche Familie, auch wenn diese davon keine Kenntnis erlangt. Dazu ein Beispiel:
    »Eine junge Frau hatte einen Selbstmordversuch überlebt. Bei der Familienaufstellung zeigte sich, daß es eigentlich die Mutter war, die gehen wollte, und die Tochter es nur für die Mutter übernommen hatte. Die Mutter wiederum sehnte sich nach ihrem Vater, der sich ertränkt hatte. In der Aufstellung wurde der verstorbene Vater hereingenommen und neben die Mutter gestellt. Die Lösung bestand darin, daß sich die Mutter an ihren Vater gelehnt hat und der Tochter kraftvoll gesagt hat: Ich bleibe. Auf diese Weise braucht die Tochter es nicht zu übernehmen.
    Der Vater der Klientin hatte die Tochter zu dem Seminar begleitet und war im Saal anwesend. Die Mutter war zu Hause in Deutschland, während die Aufstellung an einem Sonntagmorgen in der Schweiz stattfand. An diesem Sonntag, zeitgleich zur Aufstellung, ist die Mutter zu Hause über eine Brücke spazierengegangen. Diese Brücke führte über jenen Fluß, in dem sich ihr Vater ertränkt hatte. Jedesmal, wenn sie zur Brücke kam, hat sie sich an das linke Brückengeländer gestellt, flußaufwärts geschaut zu der Stelle, wo es geschehen war, und für den Vater kurz gebetet. An diesem Morgen wollte sie wie immer auf der Brücke ihr Gebet sprechen. In diesem Moment jedoch fühlte sie sich an der Schulter genommen und auf die andere Seite der Brücke geführt. Dort erlebte sie ein intensives Glücksgefühl, das sie sich nicht erklären konnte. Ihr Kopf wurde flußabwärts gedreht, und sie hatte plötzlich das Gefühl: Jetzt darf ich mit dem Strom des Lebens schwimmen. Früher hatte sie in der Familie oft damit gedroht, sie werde sich umbringen. Mit einem Mal war das verschwunden. Über die räumliche Entfernung hat da etwas gewirkt, ohne daß die Mutter etwas von der Aufstellung wußte.« (AWI: 83/84)
    Ein anderes Beispiel: Bei einer Aufstellung mit Symbolen stellte sich heraus, daß ein neunjähriger Junge mit dem Bruder des Vaters identifiziert war. Der Onkel hatte sich mit Gift umgebracht, und das Kind wollte sein Schicksal teilen. Wie mir der Vater erzählte, war der Sohn ein nervöses und hyperaktives Kind. Gleichzeitig stellte er sich immer außerhalb. Auch in der Schule gab es viele Probleme mit ihm. Das Kind hatte nicht gewußt, daß es einen selbstmörderischen Onkel in der Familie gab, doch nach der Aufstellung erzählte der Mann seinem Sohn in knappen Worten davon. Der Junge war sofort interessiert und stellte viele Fragen. Vor allem wollte er ein Foto von seinem Onkel sehen. Der Vater kramte eines hervor und zeigte es. Der Sohn bestand darauf, daß man ihm dieses Bild überließ. Es fand einen zentralen Platz im Kinderzimmer. Wie mir der Mann später berichtete, wurde das
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