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Was die Seele krank macht und was sie heilt

Was die Seele krank macht und was sie heilt

Titel: Was die Seele krank macht und was sie heilt
Autoren: Thomas Schäfer
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Schuld und Unschuld, Gewissen, Ordnung, Bindung, Demut und das Ehren der Eltern - so lauten einige zentrale Begriffe der Systemischen Psychotherapie Bert Hellingers. In der gegenwärtigen Psychotherapie hört man diese Ausdrücke eher selten, und manchem erscheinen sie gar anrüchig und verstaubt. So verwundert es nicht, daß sich an Bert Hellinger die Geister scheiden.
    Für die einen ist er derjenige, der bestimmten Werten zu einer Renaissance verhilft. Wir leben in einer Zeit, in der sich alles schnell relativiert. Nichts scheint lange Bestand zu haben, obwohl wir uns doch sehr nach Sicherheit und Verläßlichkeit sehnen. Und nun kommt jemand, der endlich Orientierung gibt und in all den persönlichen Tragödien und Schicksalen Ursachen und Sinn erkennt. Zusammenhänge zu verstehen, die wir jenseits des Begreifens wähnten: Das muß eine tiefe Sehnsucht wecken, mit dem eigenen Schicksal in Einklang zu kommen.
    Für die anderen ist Hellinger ein konservativer, patriarchalischer Heilsverkünder, dessen »Lehre« in den orientierungslosen Köpfen vieler leichtes Spiel hat. In diesen Zusammenhang paßt natürlich der Umstand, daß Hellinger lange Zeit in Afrika Missionar gewesen ist. Nachdem er den Orden verlassen hatte, entdeckte er die Psychotherapie als neues Aufgabenfeld. Um »biblische Psychotherapie« handele es sich, lesen wir in der Überschrift des Editorials der Zeitschrift »Psychologie heute« (6/95). Dort ist auch die Rede von einem »Guru«, der »weiße Magie« betreibt, wenn er in großen Gruppen einen Klienten seine Familie aufstellen läßt. 1
    Viele Therapeuten, die nach Hellingers Methode Familien stellen und seine Einsichten in ihrer täglichen Arbeit berücksichtigen, und viele, die heute mit Sympathie über ihn reden und schreiben, bekennen, daß sie bei der ersten Begegnung mit diesen ungewohnten Einsichten schockiert waren. Mir selbst erging es anders. Ich war tief ergriffen von dem, was ich las (»Zweierlei Glück«) und was ich kurz darauf in Hellingers Seminaren erlebte. Nachdem ich meine Familie aufgestellt hatte, wurde nur nicht nur meine persönliche Geschichte klarer, ich sah auch die Probleme meiner Klienten in einem neuen, ungewohnten Licht. Betroffen und verunsichert ließ mich damals nur eine Sache zurück: Hellingers Umgang mit dem Thema Inzest. Doch mittlerweile habe ich meine Meinung revidiert. Hellingers Sichtweise dieses äußerst heiklen Themas widerspricht zwar dem Zeitgeist, doch kann sie meiner Erfahrung nach den Opfern tatsächlich Heilung bringen (siehe das Kapitel »Eltern und Kinder«),

Unterschiede zu anderen psychotherapeutischen Ansätzen

    In der systemischen Sichtweise der Familientherapie wie auch in den meisten Richtungen der humanistischen Psychologie (Gestalttherapie, Gesprächspsychotherapie nach Rogers, Primärtherapie, Bioenergetik u. a.) spielt die Theorie des Konstruktivismus eine wichtige Rolle 2 : Es existiert keine feststehende Wahrheit, es gibt nichts objektiv zu Erkennendes; unsere Gefühle hängen weitgehend von unseren inneren Vorstellungen ab. In vielen Therapierichtungen geht man davon aus, daß der Klient über einen zielgerichteten Umgang mit sinnvollen Bildern und Vorstellungen die meisten seiner Ziele erreichen kann. Besonders beim NLP (Neurolinguistisches Programmieren), von dem ich als Therapeut viel profitiert habe, findet man recht naive Ansichten darüber, was alles »programmierbar« sei: Reichtum, Heilung von Krankheiten, das Finden des richtigen Partners usw. Die Vorstellung, daß man mit einer kraftvollen »Ressourcen-Mobilisierung« (NLP-Jargon) die meisten seiner Wünsche realisieren könne, ist natürlich nicht auf das NLP begrenzt. Das Credo einer großen Zahl von Therapeuten, zu denen auch ich gehört habe, lautet: »Jeder Mensch ist völlig frei und hat die Möglichkeit, sich selbst zu verwirklichen, wie er das möchte. Dazu muß er nur die verinnerlichten, hemmenden Vorstellungen (>Glaubenssätze<) durch neue und bessere ersetzen.«
    Je radikaler man konstruktivistisch denkt, desto dringlicher stellt sich die Frage nach der Ethik: Wenn jeder frei ist, zu tun und zu lassen, was er will, welche Folgen hat das dann für die anderen?
    Hellinger zufolge sind wir nicht so frei, wie wir gerne glauben. Wenn wir ohne die Anerkennung unserer Bindungen handeln, ist das kein freies, sondern ein blindes Handeln. Ein Handeln in Freiheit ergibt sich erst durch die Zugehörigkeit zu einem System (Familie). Ein System definiert sich durch eine
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