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Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)

Titel: Die Prophezeiung der Nonne: Roman (German Edition)
Autoren: Nancy Bilyeau
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Prolog
    Als ich mich in der Nacht des 28. Dezember 1538 bereit machte, dem Märtyrertod ins Auge zu sehen, dachte ich nicht an die Menschen, die ich liebte. Wie gebannt starrte ich auf die gemeißelte Inschrift des Grabsteins, an dessen Fuß ich mich zusammengekauert hatte.
    Hier ruht in Frieden Bruder Bartholomeus Giles vom Kloster Christ-Church , Canterbury , stand da, verschieden am sechzehnten Juni im Jahr des Herrn 1525 . Glücklicher Bruder Bartholomeus. Er hatte gebetet, gesungen, gearbeitet und studiert und war, als er hinfällig wurde, ins Klosterhospital gebracht worden, wo er in Frieden starb, ohne zu ahnen, dass seine Generation die letzte in England war, die Gott in klösterlicher Abgeschiedenheit dienen durfte. Von der Auflösung der Klöster hatte dieser einfache Mönch nichts gewusst.
    Wir, meine sieben Gefährten und ich, hatten uns auf dem kleinen Friedhof im Schatten der mächtigen Kathedrale von Canterbury versteckt, entschlossen, auch vor Gewalt nicht zurückzuschrecken. Ein großer, nahezu voller Mond leuchtete vom schwarzen Himmel auf Gedenksteine und Grabmäler, aber es war ein weicher, verschwommener Mond, nicht die scharf umrissene Scheibe, die ich von anderen Winternächten kannte. Es lag wohl daran, dass wir uns nahe dem Meer befanden. Ich war erst einmal in Canterbury gewesen – auf jener Reise, auf der mir meine Bestimmung offenbart wurde. Gegen meinen Willen hatte ich einer Prophezeiung Gehör schenken müssen, die mir mehr Angst machte als alles andere auf der Welt. Und doch war ich jetzt, an diesem Ort, bereit, sie zu erfüllen.
    Jeder von uns hatte sich auf dem Friedhof einen Stein, ein Denkmal für einen verstorbenen Bruder, als Versteck gesucht. Von den sieben Männern an meiner Seite, meine Brüder jetzt, war mir der vertrauteste Bruder Edmund Sommerville, der nur wenige Schritte von mir entfernt wartete. Als er zu mir herüberschaute, nickte ich, zum Zeichen, dass ich bereit war. Wir wussten beide, dass der Moment nahe war, und bliesen uns in die kältestarren Hände; unsere Finger mussten beweglich sein, wenn sie die Waffen führen sollten, die wir mitgebracht hatten. Ich hielt einen scharfkantigen Stein in der Hand, Bruder Edmund einen Knüppel. Wir waren nicht im Kampf ausgebildet, allein unser Glaube musste uns die nötige Kraft und Stärke verleihen.
    Seit die Männer König Heinrichs VIII. unsere Heimat, das Kloster Dartford, in Trümmer gelegt hatten, waren wir vor der Welt schlicht Edmund Sommerville und Joanna Stafford. In dem Bemühen, die Auflösung unseres Klosters zu verhindern, hatte ich während der letzten Monate seiner Existenz verzweifelt nach der legendären Athelstan-Krone gesucht, von der Bischof Stephen Gardiner versprochen hatte, sie werde dem Vernichtungswerk Einhalt gebieten. Doch die Suche nahm unerwartete – und todbringende – Wendungen, und als sie beendet war, schloss unser Kloster, das hundertachtzig Jahre lang bestanden hatte, seine Pforten für immer. So fanden das fromme Wirken und der bescheidene Ruhm des einzigen Dominikanerinnen-Klosters in England ein Ende. Wir mussten Habit und Schleier ablegen und gehen. Zusammen mit einer Handvoll anderer aus dem Kloster Vertriebener übersiedelte ich ins nahe gelegene Dorf und bemühte mich, mir ein neues Leben aufzubauen. Jetzt war es auch damit vorbei. Die Grausamkeit des königlichen Hofs hatte mich von Neuem eingeholt. Ich war Furcht und Verrat, Verlust und auch Mut begegnet und hatte mit angesehen, wie auf dem Tower Hill unschuldiges Blut vergossen wurde.
    Eine Gestalt rannte über den Friedhof. Im Mondlicht schimmerten die albinobleichen Züge Bruder Oswalds, eines ehemaligen Zisterziensermönchs, wie Elfenbein unter der Kapuze. DieWunden an Gesicht und Körper, die ihm von jenen beigebracht worden waren, die uns hassten und uns »Papisten« schimpften, waren verdeckt.
    »Macht Euch bereit«, flüsterte er atemlos. »Der Angriff steht kurz bevor.«
    Meine Hand auf dem Grabstein spannte sich. Gleich würden die Männer König Heinrichs mit einem heiligen hölzernen Schrein aus der dunklen Kathedrale treten. Und wir würden sie erwarten.
    Thomas Becket, der Erzbischof von Canterbury, war vor dreihundertachtundsechzig Jahren in dieser Kathedrale ermordet worden, weil er sich geweigert hatte, sich dem Willen eines weltlichen Herrschers zu beugen. Nach seinem Tod hatte Rom ihn heiliggesprochen, und sein Grab war zum Wallfahrtsort geworden – zur heiligsten Stätte Englands. Doch nun hatte Heinrich
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