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Was der Winter verschwieg (German Edition)

Was der Winter verschwieg (German Edition)

Titel: Was der Winter verschwieg (German Edition)
Autoren: Susan Wiggs
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aus. Rudy versuchte, sich auf dem Sitz zu halten. Mitten auf der Fahrbahn stand ein großäugiges Reh, dessen Rippen durch das dicke Winterfell stachen.
    Noah drückte auf die Hupe. Das Reh zuckte zusammen und sprang dann quer über die Straße, über den kleinen Graben und verschwand in der Dunkelheit. Mitten im Winter war die schlimmste Zeit für Wild – in diesen Wochen drohten die Tiere zu verhungern, weil sie nichts mehr zu fressen fanden.
    Der Radiosender führte den üblichen Test für die Verbreitung von Notfalldurchsagen durch. Noah stellte das Radio aus.
    Beinahe zu Hause. Es gab keine Anzeichen in der Landschaft, die darauf hindeuteten, nur sein Gefühl verriet ihm, dass er sich seinem Haus näherte. Abgesehen vom College und dem Veterinärstudium in Cornell, hatte er nie irgendwo anders gelebt. Jeder Briefkasten sollte eigentlich mit einem hohen Metallstab ausgerüstet sein, doch die Schneeverwehungen waren inzwischen zu hoch und hatten die Briefkästen samt der Stäbe unter sich begraben.
    Er konnte den Willow Lake zu seiner Linken nicht sehen, aber er spürte ihn. Es war der schönste See im Landkreis, umgeben von der wilden Landschaft der Catskills. Im Moment war er hinter einem Vorhang aus Schnee verborgen. Noahs Zuhause lag auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Sees und ein wenig den Berg hinauf. Am Seeufer selbst gab es nur einige alte Sommerhütten, die im Winter unbewohnt waren.
    „General Azkanabi, wir brauchen Verstärkung“, sagte Noah und hörte, wie die eingebildete Musik in seinen Ohren anschwoll. „Schicken Sie mir jemanden her. Sofort!“
    In diesem Augenblick bemerkte er … es: Etwas Rotes schimmerte im Schnee. Die gepfiffene Melodie erstarb Noah auf den Lippen. Er verlangsamte die Geschwindigkeit und hielt seinen Blick fest auf den roten Fleck gerichtet. Schließlich konnte er ein passendes Licht dazu ausmachen. Rücklichter, die zu einem Auto zu gehören schienen, das in einer Schneewehe feststeckte.
    Er hielt seinen Truck in der Mitte der Straße an. Der Motor des anderen Wagens lief noch; Noah sah eine Abgaswolke aus dem in einem unnatürlichen Winkel nach oben ragenden Auspuff steigen. Die Rückleuchten warfen ein gruseliges Licht in die Nacht. Einer der Frontscheinwerfer war von Schnee bedeckt, der andere beleuchtete das Reh, das vom Auto erwischt worden war.
    „Bleib, Junge“, befahl Noah dem Hund. Er packte seine Tasche, in der sich ausreichend Betäubungsmittel befanden, um das Reh zu erlösen. Dann schaltete er seine Stirnlampe an und begab sich in die stürmische Nacht hinaus.
    Der herumwirbelnde Schnee und der heulende Wind schnitten wie Messer aus Eis in seine Haut. Er rannte zum Auto hinüber und sah, dass eine Frau darin saß. Sie schien mit einem Handy herumzufummeln.
    Als sie ihn sah, ließ sie das Fenster herunter. „Gott sei Dank, dass Sie da sind“, sagte sie und stieg aus.
    Für das Wetter war sie vollkommen unpassend gekleidet, so viel war mal sicher. Sie trug einen modischen Mantel und dünne Lederstiefel mit hohen, spitzen Absätzen. Keine Mütze. Keine Handschuhe. Blondes Haar, das wild im Wind wehte, verbarg teilweise ihr Gesicht.
    „Wie sind Sie so schnell hierhergekommen?“, rief sie.
    Noah nahm an, sie dachte, er wäre vom Pannendienst. Er hatte jetzt aber keine Zeit, ihr den Irrtum zu erklären.
    Sie schien seine Eile zu teilen, denn sie packte seinen Ärmel und zog ihn von der Fahrertür weg zur Vorderseite des Autos, wobei sie auf ihren hohen Absätzen ein wenig schwankte. „Bitte“, ihre Stimme klang gestresst. „Ich kann nicht glauben, dass das passiert ist. Glauben Sie, es kann gerettet werden?“
    Er richtete den Strahl seiner Stirnlampe auf das Reh. Es war nicht die Ricke, die er vorhin gesehen hatte, sondern ein junger Bock mit einem gerade durchgebrochenen Geweih auf der einen und einem noch flauschigen Dreiender auf der anderen Kopfseite. Seine Augen waren glasig, und sein Atem ging auf eine Weise, die Noah kannte – die panischen Atemzüge eines Tiers im Schockzustand. Er sah kein Blut, aber oft handelte es sich um tödliche innere Verletzungen.
    Verdammt. Er hasste es, Tiere einzuschläfern, hasste es wie die Pest.
    „Bitte“, sagte die Fremde erneut. „Sie müssen es retten.“
    „Halten Sie mal.“ Er gab ihr eine weitere Lampe aus seiner Tasche, um den Strahl seiner Stirnlampe zu verstärken. Dann hockte er sich neben das Tier, wobei er beruhigende Geräusche von sich gab. „Ganz ruhig, Kleiner.“ Er zog seine
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