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Was der Winter verschwieg (German Edition)

Was der Winter verschwieg (German Edition)

Titel: Was der Winter verschwieg (German Edition)
Autoren: Susan Wiggs
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fragte nicht, weil er erwartete, dass sie das von sich aus preisgeben würde. Das tat sie aber nicht, also konzentrierte er sich wieder auf seine Aufgabe. Ihm fiel auf, dass menschliche Haut der von Hunden oder Pferden sehr ähnlich war. „Und Sie wohnen bei den Wilsons auf der anderen Straßenseite?“, hakte er nach.
    „Nicht wirklich. Ich darf ihre Sommerhütte benutzen. Alberta – Bertie – Wilson und ich kennen uns seit unserem Jurastudium.“
    „Oh.“ Mitten in der Bewegung hielt er inne. „Sie sind Anwältin?“
    „Ja.“
    „Eine
echte
Anwältin?“
    „Okay, das habe ich verdient.“ Sie grinste.
    „Hätten Sie mir das nicht sagen können, bevor ich angefangen habe, Sie mit Nähzeug für Pferde zusammenzuflicken?“
    „Hätten Sie mich dann anders behandelt?“
    „Ich weiß nicht“, gab er zu. „Ich hätte Sie vielleicht gar nicht behandelt. Oder Sie gebeten, eine Verzichtserklärung zu unterschreiben.“
    „Das hat einen guten Anwalt noch nie aufgehalten.“ Schnell fügte sie hinzu: „Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie haben mich gerettet und die Blutung gestoppt. Das Letzte, was ich in der Welt tun wollte, wäre, Sie zu verklagen.“
    „Gut zu wissen.“ Noah entfernte das OP-Tuch und wusch die Wunde mit einer Jodlösung ab. „Aber vielleicht sollten Sie doch mal einen Blick darauf werfen. Es ist kein besonders schöner Anblick.“
    Sie stützte sich mit den Händen ab und setzte sich auf. Die Stiche bildeten eine dünne schwarze Linie auf ihrer blassen Haut, die jetzt durch das Desinfektionsmittel orangerot gefärbt war. „Sie haben die Blutung gestoppt“, wiederholte sie.
    „Sieht so aus.“ Er legte ein Stück Gaze über die Wunde. „Ich werde das noch verbinden. Sie müssen in nächster Zeit vorsichtig sein, nicht an den Stichen herumfummeln und schauen, dass sie nicht aufgehen. Wenn Sie einer meiner üblichen Patienten wären, würde ich Ihnen jetzt einen Kragen verpassen, um sie davon abzuhalten, den Verband abzuknabbern.“
    „Das wird nicht nötig sein, aber danke.“
    „Sie müssen die Wunde so trocken wie möglich halten.“
    „Ich denke, das bekomme ich hin.“ Sie hielt still, während er den Verband anlegte. Dann prüfte er noch einmal ihren Blutdruck. „Keine Veränderung. Das ist gut.“
    „Danke. Wirklich. Ich kann Ihnen gar nicht genug danken.“
    Er hielt ihr beide Hände hin und half ihr, vorsichtig vom Tisch zu klettern. Sie schwankte ein wenig und er legte einen Arm um ihre Taille, um sie festzuhalten. „Ganz langsam“, sagte er. „Sie müssen das Bein heute Nacht so gut wie möglich hoch lagern.“
    „Okay.“
    Sie schien von seiner Berührung überrascht, denn sie erschauerte. Hatte sie Angst, oder war sie erleichtert? Er wusste es nicht. Sehr vorsichtig entzog sie sich dann seinem Arm. Er ging vor zum Empfangsbereich. Mildreds Arbeitsplatz war so penibel ordentlich, wie seine Assistentin es selbst auch war. Noahs Tisch war übersät mit Magazinen und Büchern, Spielzeugen und kleinen Figuren, Postkarten von Tierbesitzern. Es gab eine kleine Pinnwand, die allein für Briefe von Kindern und Fotos von ihnen und ihren Tieren reserviert war. Noah liebte Kinder über alles.
    „Danke noch mal“, sagte sie. „Sie müssen mir noch sagen, was ich Ihnen schuldig bin.“
    „Sie machen Witze, oder?“
    „Ich mache niemals Witze. Sie haben mich professionell behandelt, also sind Sie auch berechtigt, mir Ihre Leistung in Rechnung zu stellen.“
    „Ja, klar.“ Sie klang wie eine echte Anwältin. Wenn er das Gleiche bei einem Dobermann gemacht hätte, betrüge die Rechnung ein paar Hundert Dollar. „Das geht aufs Haus. Sie sollten aber so schnell wie möglich einen
richtigen
Arzt aufsuchen.“
    „Nun dann. Sie haben weit mehr für mich getan, als es Ihre Pflicht gewesen wäre. Sie sind mein Held.“
    Er meinte, immer noch ein leichtes Beben in ihrer Stimme zu hören, also vermutete er, dass sie versuchte, ihre Furcht hinunterzuspielen und möglichst cool zu tun. „So hat mich noch niemand genannt.“
    „Ich wette, einige Ihrer Patienten würden es tun, wenn sie sprechen könnten.“ Sie senkte den Blick, und er bemerkte erfreut, dass ein wenig Farbe in ihre Wangen zurückgekehrt war. Verdammt, sie sah aber auch echt klasse aus. „Wie auch immer, ich sollte mich jetzt zu meiner Hütte begeben …“
    „Oh nein“, widersprach er. „Auf keinen Fall mehr heute Nacht.“
    „Aber …“
    „Die Straßenverhältnisse sind schlimmer als je zuvor. Ich weiß,
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