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Was der Winter verschwieg (German Edition)

Was der Winter verschwieg (German Edition)

Titel: Was der Winter verschwieg (German Edition)
Autoren: Susan Wiggs
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Handschuhe aus und steckte sie in die Tasche seines Parkas. Das raue Fell des Rehs wärmte seine Finger, als er seinen Bauch untersuchte und keine Anzeichen von Flüssigkeit, keine abnormal weichen oder heißen Stellen feststellte. Vielleicht …
    Ohne Vorwarnung rappelte der Rehbock sich auf und versuchte mit strampelnden Beinen, in dem tiefen Schnee Halt zu finden. Noah bekam einen Schlag auf den Arm ab und zog sich zurück. Das Tier sprang auf die Füße und setzte über eine Schneewehe. Instinktiv stellte Noah sich vor die Frau, um sie vor den Hufen des Bocks zu schützen, als der mit großen Sprüngen im Wald verschwand.
    „Ich habe ihn nicht umgebracht“, jubelte sie. „Sie haben ihn gerettet.“
    Nein, dachte er, auch wenn es bestimmt beeindruckend ausgesehen hat, dass der junge Bock sofort aufgesprungen ist, nachdem ich meine Hände auf seinen Bauch gelegt habe. Er sagte es nicht, aber es bestand immer noch die Möglichkeit, dass das Tier irgendwo im Wald zusammenbrach und starb.
    Langsam schaltete er die Stirnlampe aus und richtete sich auf. Die Frau schien ihm mit der Taschenlampe direkt ins Gesicht und blendete ihn. Als er zusammenzuckte, senkte sie die Lampe. „Tut mir leid.“
    Er zog seine Handschuhe wieder an und fragte: „Wohin sind Sie unterwegs?“
    „Zwölf siebenundvierzig Lakeshore Road. Das Haus der Wilsons. Kennen Sie es?“
    Er blinzelte und versuchte, sich zu orientieren. Die Frau hatte ihr Auto direkt an seiner Auffahrt von der Straße gelenkt. „Noch ein paar hundert Meter in Richtung See, dann sind Sie da“, erklärte er. „Ich kann Sie gerne hinbringen.“
    „Danke.“ Schneeflocken verfingen sich in ihren Wimpern; sie blinzelte sie fort. Er erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht – erstaunlich hübsch, aber blass und angespannt. „Ich hole nur eben meine Sachen.“ Sie reichte ihm die Taschenlampe und nahm dann eine Handtasche und eine große Reisetasche aus dem Auto. Außerdem gab es noch einen Rollkoffer mit vielen bunten Etiketten. In dem schwachen Licht der Innenbeleuchtung konnte er Wörter in einer fremden Sprache erkennen – ’s Gravenhage? Er hatte keine Ahnung, was das war. Und ein anderer Aufkleber sah aus wie ein offizielles Siegel vom State Department oder so. Wow, dachte er. Die Frau war nicht nur geheimnisvoll, sondern auch sehr international.
    Sie schaltete den Motor und die Lichter aus. „Ich nehme an, es gibt im Moment nichts, was wir bezüglich des Autos unternehmen könnten“, bemerkte sie.
    „Zumindest heute Abend nicht.“
    „Ich habe noch ein paar Gepäckstücke im Kofferraum. Meinen Sie, ich kann die hierlassen?“
    „Heute ist vermutlich keine Nacht für Diebe“, beruhigte er sie. Dann ging er zu seinem Truck voran und öffnete die Beifahrertür. „Geh nach hinten“, befahl er Rudy, und der Hund sprang auf den hinteren Notsitz.
    Die Frau zögerte. Sie drückte ihre Handtasche gegen die Brust und sah Noah aus großen Augen an. Sogar in dem schummrigen Licht seines Trucks konnte er sehen, dass ihre Augen blau waren. Und sie sah ihn nicht länger als Rehflüsterer an, sondern so, als wäre er ein unberechenbarer Killer.
    „Sie sehen mich an, als wäre ich ein Axtmörder“, sprach er seinen Gedanken laut aus.
    „Woher weiß ich, dass Sie das nicht sind?“
    „Noah Shepherd“, stellte er sich vor. „Ich wohne hier. Das hier ist meine Auffahrt.“ Er zeigte in die entsprechende Richtung. Der Weg, der von Kiefern gesäumt war, deren Äste von der Schneelast nach unten gedrückt wurden, lag unter einer knietiefen Schneedecke. Ein Lichtschein aus dem Fenster und die Verandabeleuchtung hüllten die Eingangstür in nebliges gelbes Licht. Die Zufahrt zur Klinik, den Zwingern und Ställen lag etwas weiter links; die Sicherheitsbeleuchtung war in dem dichten Schneetreiben kaum zu erkennen.
    Sie biss sich auf die Unterlippe. „Selbst Axtmörder müssen irgendwo wohnen.“
    „Stimmt. Wie also soll ich wissen, dass
Sie
keine Axtmörderin sind?“
    Die Frage schien sie überhaupt nicht zu stören. „Das können Sie nicht“, erwiderte sie schlicht und stieg in den Truck.
    Als er um den Wagen herum zur Fahrerseite ging, fragte sich Noah, ob hier fremde Mächte am Werk waren. Er machte sich normalerweise nichts aus so etwas, aber hatte er sich nicht gerade erst eine Frau gewünscht? Hatte das Universum ihn etwa erhört?
    Natürlich wusste er gar nichts über seine unerwartete Beifahrerin. Wie sie so treffend bemerkt hatte, wusste er nicht einmal, ob sie
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