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Was der Winter verschwieg (German Edition)

Was der Winter verschwieg (German Edition)

Titel: Was der Winter verschwieg (German Edition)
Autoren: Susan Wiggs
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und ließ ihn durch den Raum schweifen.
    Er spürte, wie ihr Vertrauen in ihn schwand. Während des Studiums hatte man ihn nicht darauf hingewiesen, dass er sein Hemd nicht vor seinen Patienten wechseln sollte, weil es seinen vierbeinigen Patienten normalerweise herzlich egal war, was er anhatte.
    „Tut mir leid“, murmelte er. Schnell schlang er sich das Stethoskop um den Hals, in der Hoffnung, dass sie das von seinen guten Absichten überzeugen würde. „Ich schwöre, ich will Ihnen nur helfen.“
    „Das weiß ich sehr zu schätzen.“ Sie ließ ihren Blick über den hüfthohen Edelstahltisch gleiten, über die Instrumente auf der Arbeitsplatte. „Ich werde keinen weiteren Panikanfall bekommen. Das war … das war ganz untypisch für mich. Und das hier ist alles sehr … sehr
Rocky Horror Picture Show
.“
    Sofort blitzte vor Noahs innerem Auge ein Bild von Susan Sarandon in Slip und BH auf.
Wenn es doch nur so wäre.
    Mithilfe der Fußpumpe ließ er den Tisch herunterfahren. „Sie bluten immer noch – nein, nicht hinsehen.“ Er wollte nicht noch eine Ohnmacht riskieren. „Ich muss mir das Bein wirklich mal ansehen.“ Er schrubbte sich die Hände am Waschbecken, nahm ein Paar Latexhandschuhe aus dem Spender, und während er sie anzog, betrachtete er das Bein der Frau etwas genauer. „Ich muss vielleicht Ihre Hose aufschneiden.“ Es gelang ihm nicht, das Grinsen zu unterdrücken.
    „Was ist denn so lustig?“, fragte sie.
    „Es ist nur so, dass ich das noch nie zu einem Patienten gesagt habe. Setzen Sie sich bitte auf den Tisch, ja? Und lehnen Sie sich dann zurück, sodass Ihr Bein ausgestreckt ist.“
    Zu seiner Überraschung folgte sie seinen Anweisungen und stützte sich auf ihre Hände, während sie sich in dem Untersuchungszimmer umschaute. Besonders eindringlich betrachtete sie die Tafeln mit den Wachstumsphasen von Kaniden und einen Kalender von einer Firma, die Tierarzneien herstellte. „Sie sind kein echter Arzt, oder?“
    „Das ist meine absolute Lieblingsfrage“, erwiderte er. „Sehen Sie, wenn ich ein
echter
Arzt wäre, würde ich nur die Anatomie und Pathologie einer einzigen Rasse kennen, nicht von sechs. Und ich hätte nur eine Spezialisierung und nicht neun.“
    „Ich schätze, das hören Sie oft.“
    „Gerade oft genug, dass es mich nervt.“ Er trat einen Schritt zurück und hielt seine behandschuhten Hände in die Luft. „Hören Sie, ich muss das hier nicht tun.“
    „Wenn es Ihnen nichts ausmacht, fände ich es aber gut, wenn Sie es täten.“
    So viel dazu, sich als schwer herumzukriegen zu geben. „Ich muss Sie untersuchen, um zu sehen, wo Sie sich noch verletzt haben.“
    „Nur am Knie.“
    „Sie könnten innere Verletzungen erlitten haben.“
    „Und das können Sie feststellen?“
    „Sie zeigen Anzeichen eines Schocks. Ich muss Ihre Brust und Ihren Bauch nach Quetschungen untersuchen und Ihren Unterbauch abtasten.“
    „Sie meinen das ernst, oder?“ Sie versteifte sich und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich verzichte. Ich bin nirgendwo gegengeschlagen oder sonst was. Mir tut auch nichts weh – außer dem Knie.“
    Er wollte sie nicht drängen. Die Situation war auch so schon bizarr genug. „Ich könnte den Rettungswagen rufen, aber in einer Nacht dieser würde ich das ungerne tun, wenn es sich nicht um einen lebensbedrohlichen Notfall handelt.“
    „Meine Verletzung ist nicht lebensbedrohlich“, versicherte die Frau. „Glauben Sie mir, ich kenne den Unterschied.“
    „Okay. Dann also nur das Knie. Aber wenn Sie irgendetwas anderes spüren – wenn Sie mit einem Mal doppelt sehen oder Ihnen schwindelig wird –, müssen Sie es mir sagen.“ Er maß ihren Blutdruck. Er lag im normalen Bereich, was ein gutes Zeichen war. Ein stark gefallener Blutdruck würde auf eine innere Blutung hindeuten. „Okay, schauen wir uns mal das Knie an.“
    Sie legte sich zurück und bedeckte ihre Augen mit dem Unterarm. „Sie haben sicher Verständnis, dass ich nicht hinsehe.“
    „Mir ist schon aufgefallen, dass Sie kein großer Freund von Blut sind.“ Er nahm die Schere, mit der er normalerweise Verbandsmaterial zurechtschnitt, setzte sie am Saum der dunklen Wollhose an und schnitt vorsichtig an der Naht entlang nach oben. Das dünne, teuer aussehende Leder ihres Stiefels war blutgetränkt. Er machte weiter und hoffte, nicht bis so weit nach oben schneiden zu müssen, dass es ihn wie einen Perversen aussehen ließ. Als er die Wundstelle erreicht hatte, sah er,
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