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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern
Autoren: James Herriot
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betäubt.
    Endlich fand ich meine Stimme wieder. »Wann hat das angefangen?«
    »Heute morgen waren sie alle noch quietschvergnügt. Brüllten nach Fressen, wie immer. Und als ich nach Hause kam, fand ich sie so vor.«
    »Das ist zu plötzlich, Lionel!« Ich schrie ihn fast an. »Das kann nicht sein!«
    Er nickte. »Das hat der Klempner auch gesagt, als er sie sah.«
    »Was für ein Klempner?«
    »Ach, die Frau hat mittags gemerkt, daß die Schweine kein Wasser hatten. Sie hat Fred Buller Bescheid gesagt, und er ist gleich heute nachmittag gekommen. Er sagte, es war irgendwo eine Blockade in der Leitung. Er hat’s gleich wieder in Ordnung gebracht.«
    »Dann waren sie fast den ganzen Tag ohne Wasser?«
    »Ich glaube, ja. Müssen sie ja.«
    Gott sei Dank! Das war es! Das Gewicht der Schuld wich plötzlich von mir.
    »Also das ist es!« sagte ich aufgeregt.
    Lionel sah mich fragend an. »Was meinen Sie damit? Das Wasser? Das kann sie doch nur ein bißchen durstig gemacht haben.«
    »Sie sind nicht durstig, sie haben eine Salzvergiftung.«
    »Sie haben doch gar kein Salz gefressen.«
    »Doch, haben sie. In fast allem Schweinefutter ist Salz.« Die Gedanken in meinem Kopf überschlugen sich. Was war als erstes zu tun? Ich packte seinen Arm und zog ihn mit mir. »Kommen Sie, wir müssen sie auf die Beine bekommen.«
    »Sie fressen immer dasselbe Futter. Heute auch.« Er sah irritiert aus, als wir durch das Stroh stapften.
    Ich fing bei einer großen Sau an, die zwischen den Krämpfen ruhig dalag, und zog sie an der Schulter. »Heute waren sie ohne Wasser – und das bedeutet, daß sich in ihrem Gehirn mehr Salz angesammelt hat. Davon bekommen sie Krämpfe. Helfen Sie mir, Lionel! Ziehen! Wir müssen sie zum Wassertrog dort rüberbringen.«
    Ich merkte, daß er glaubte, ich wäre verrückt. Aber er half mir, die Sau auf die Beine zu stellen, und wir stützten sie an beiden Seiten, als sie torkelnd zu der langen Metallrinne ging, die durch den ganzen Hofraum lief. Sie schlürfte etwas Wasser, dann fiel sie hin.
    Lionel atmete keuchend. »Viel hat sie nicht getrunken.«
    »Nein, und das ist gut. Zuviel Wasser auf einmal würde es noch schlimmer machen. Lassen Sie es uns jetzt mit dieser hier versuchen. Sie liegt ganz still.«
    »Warum schlimmer?« Er half mir, das nächste Schwein aufzurichten. »Wie kommt das?«
    »Denken Sie nicht drüber nach«, sagte ich. »Es ist eben so.« Ich konnte ihm nicht gut sagen, daß ich es selber nicht wußte und daß ich noch nie vorher eine Salzvergiftung gesehen hatte und alles nur nach dem Buch machte.
    Er stöhnte, als wir das zweite Schwein auf den Wassertrog zuschubsten. »Gott steh uns bei! Das ist eine verdammt komische Beförderungsart. So was habe ich noch nie gesehen.«
    Ich auch nicht, ich hoffte nur, daß all das, was ich auf dem College gelernt hatte, auch stimmte.
    Die nächste Stunde war Schwerarbeit. Wir hoben, schoben und zogen die Tiere zum Wassertrog hin und flößten denen, die sich nicht bewegen konnten, vorsichtig etwas Wasser ein. Dazu nahmen wir einen Gummistiefel, in den wir vorn an der Spitze ein Loch geschnitten hatten. Wir schoben ihn den Tieren in die Schnauze und gossen Wasser in den Schaft.
    Den Tieren mit den stärksten Krämpfen injizierte ich ein Sedativum, um die Krämpfe zum Abklingen zu bringen.
    Als wir fertig waren, sah ich mich im Schweinestall um. Alle Tiere waren jetzt mit Wasser versorgt und lagen in Reichweite der Wasserrinne. Während ich sie beobachtete, standen einige Tiere auf, tranken ein bißchen Wasser und legten sich wieder hin. Das war genau das, was ich wollte.
    »Gut«, sagte ich müde. »Mehr können wir nicht tun.«
    Er zuckte mit den Schultern. »In Ordnung. Kommen Sie mit rein und trinken Sie eine Tasse Tee.«
    Als ich ihm zum Haus hinüber folgte, sah ich an seinen hängenden Schultern, daß er die Hoffnung verloren hatte. Ich konnte es ihm nicht verdenken. Was ich gesagt und getan hatte, mußte ihm ziemlich unsinnig vorgekommen sein.
    Am nächsten Morgen um sieben klingelte das Telefon. Ich griff verschlafen zum Hörer und erwartete, zu einer Kuh zum Kalben oder zu einer Milchdrüsenentzündung gerufen zu werden. Aber es war Lionel.
    »Ich bin gerade dabei, zur Arbeit zu gehen, Mr. Herriot, aber ich dachte, Sie würden gern wissen, wie es den Schweinen geht.«
    Ich war im Nu hellwach. »Ja, will ich auch. Wie geht es ihnen?«
    »Gut.«
    »Allen?«
    »Ja, allen.«
    »Sehen sie irgendwie krank aus?«
    »Nein. Sie brüllen vor
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