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Von Zweibeinern und Vierbeinern

Von Zweibeinern und Vierbeinern

Titel: Von Zweibeinern und Vierbeinern
Autoren: James Herriot
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konzentrisch. Das Ministerium würde es bestätigen, und dann wüßten wir wenigstens, woran wir waren.
    Ich verbrachte einen weiteren Abend damit, Formulare auszufüllen und mit Pappschachteln und Packpapier zu kämpfen, aber als ich die Proben abschickte, war ich voller Zuversicht, daß das Ergebnis der Untersuchung meine Zweifel zerstreuen würde. Als vom Ministerium der Bescheid kam, daß auch diesmal eine Bestätigung meines Verdachts anhand der Proben nicht möglich sei, wandte ich mich verzweifelt an Siegfried. »Was, zum Teufel, spielen die da für ein Spiel? Kannst du mir sagen, wie die Leute im Labor dort zu ihrer Diagnose kommen?«
    »O ja.« Siegfried sah mich ernst an. »Sie nehmen ein Stück Darm vom Papier und werfen es an die Decke. Wenn es kleben bleibt, sagen sie: ›Positiv‹. Und wenn es runterfällt, lautet ihr Spruch: ›Negativ‹.«
    Ich lachte. »Das habe ich schon mal gehört, und allmählich fange ich an zu glauben, daß es wahr ist.«
    »Sei nicht zu hart mit den Leuten im Ministerium«, sagte Siegfried. »Denk daran, daß sie absolut sicher sein müssen, ehe sie einen solchen Verdacht bestätigen, und daß sie verdammt komisch dastehen, wenn sie sich irren. Es gibt vieles, was wie Schweinepest aussieht. Du findest nekrotische Gewächse auch bei Wurmbefall, zum Beispiel. Es ist nicht so leicht.«
    Ich stöhnte. »Ja, ich weiß, ich weiß. Ich mache ihnen ja auch keinen Vorwurf. Nur, der arme Lionel Brough steht am Rande des Ruins – und ich kann nichts tun, um ihm zu helfen.«
    »Ich weiß, James, es ist eine höllische Situation. Ich weiß Bescheid.«
    Zwei Tage später rief Lionel an und sagte, daß wieder ein Schwein verendet sei. Diesmal fand ich typischere Gewächse, und obwohl ich nicht wußte, was das Ministerium dazu sagen würde, wußte ich nun, was ich zu tun hatte.
    »Lionel«, sagte ich, »Sie müssen jedes gesunde Tier, das Sie haben, schlachten.«
    Er riß die Augen auf. »Aber es ist fast noch keines reif zum Schlachten. Und es sind auch noch tragende Säue da, und...«
    »Ja, ich weiß«, unterbrach ich ihn. »Aber wenn der Verdacht bestätigt werden sollte, müßte ich Ihnen den Rat geben, sie alle abzuschaffen. Sie stehen unter Restriktion, das wissen Sie, Sie können kein Schwein zum Markt bringen, aber ich kann Ihnen eine Genehmigung geben, daß Sie alle gesunden Schweine zur Fleischfabrik bringen können.«
    »Ja, aber...«
    »Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, Lionel. Es ist tragisch. Aber wenn die Krankheit erst einmal die anderen Tiere befällt, kann ich Ihnen keine Genehmigung mehr geben, und Sie können nur noch zusehen, wie Ihnen eins nach dem andern stirbt. Auf diese Weise kann ich ein paar tausend Pfund für Sie retten.«
    »Aber die Schweineschinken... die Mastschweine... in zwei Monaten würde ich sehr viel mehr dafür bekommen.«
    »Ja, aber Sie werden auch jetzt etwas dafür bekommen. Und wenn die Tiere die Schweinepest haben, bekommen Sie nichts. Und einmal abgesehen vom Geld, ist es Ihnen nicht lieber, daß Ihre Schweine geschlachtet werden, als daß sie elendiglich verenden?«
    Meine Worte brachten mir wieder einmal zum Bewußtsein, wie traurig die Arbeit des Tierarztes auf dem Lande oft ist, weil so viele unserer Patienten letzten Endes für den Fleischerhaken bestimmt sind und unsere Tätigkeit meist einen kommerziellen Hintergrund hat.
    »Ich weiß nicht. Es ist ein schwerer Entschluß.« Er blickte wieder durch seinen neuen Schweinestall mit all den Tieren, die er so sorgfältig hielt. Dann sah er mich durchdringend an. »Und was ist, wenn es keine Schweinepest ist?«
    Jetzt hatte er mich in der Zange. Sein forschender Blick verlangte eine ehrliche Antwort. »Wenn es keine Schweinepest ist, Lionel, habe ich Sie ein paar tausend Pfund gekostet, statt Ihnen ein paar tausend Pfund zu retten.«
    »Ja... ja... ich verstehe. Aber Sie glauben, daß es Schweinepest ist?«
    »Ich habe Ihnen gesagt, daß ich keine offizielle Diagnose stellen darf, aber ich bin mir meiner Sache sicher.«
    Er nickte schnell. »Gut, Mr. Herriot. Geben Sie mir Ihre Genehmigung. Ich habe Vertrauen zu Ihnen.«
    Das war ein enormes Kompliment, und ich hoffte nur, daß ich Lionels Vertrauen nicht enttäuschte. Ich holte meine blauen Formulare heraus und begann zu schreiben.
    Es dauerte nicht lange, und der neue Schweinestall war still und verwaist. Es blieb nur die Box mit den infizierten Tieren übrig, die eins nach dem anderen starben. Der einzige Trost war, daß die erkrankten
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