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Die Angst der Woche

Die Angst der Woche

Titel: Die Angst der Woche
Autoren: Walter Krämer
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Vorwort
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    An dieser Krankheit sterben jedes Jahr mehr als sieben Millionen Menschen. Ich habe mir neulich bei Aldi ein Buch dazu gekauft. Für 1,99 Euro: Blutdruck  – Risiken erkennen und entschärfen. Mein Blutdruck ist nämlich viel zu hoch. Und nicht nur meiner: »Jeder fünfte Deutsche hat Bluthochdruck (arterielle Hypertonie), und nur einer von vier Betroffenen weiß von seiner Erkrankung. Bleibt der Blutdruck dauerhaft erhöht, steigt das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall, Organschäden und Arteriosklerose deutlich an.«
    So die bei Aldi eingekaufte Warnung: Herzinfarkt, Schlaganfall, Organschäden, Arteriosklerose. Wäre das die Folge von Ionenstrahlung, gäbe es tägliche Sondersendungen im Fernsehen. Aber so stellt sich ein Angstgefühl nicht ein. Weder bei mir noch bei den meisten anderen Bluthochdruckpatienten. Auch meine fette Schweinshaxe esse ich weiter mit Genuss, obwohl ich weiß, dass in Deutschland jährlich über 100 000 Menschen an Magen- oder Darmkrebs und anderen Folgen von fettem Essen sterben. Von den 50 000 Lungenkrebstoten durch Tabak und Nikotin und den fast genauso vielen Alkoholopfern gar nicht zu reden.
    Große Sorgen machen sich viele Fettesser und Alkoholtrinker dagegen wegen der Pestizide im Gemüse, radioaktiver Strahlen, Luftverschmutzung oder BSE. Bis heute ist an dieser Krankheit in Deutschland kein einziger Mensch gestorben, aber die dadurch verursachte Panik hat uns Steuerzahler rund eine Milliarde Euro und zahlreiche Landwirte das Vermögen und die Existenz gekostet; in England haben sich deswegen über 150 Farmer umgebracht.
    Davor gab es Aids, Asbest und Amalgam, alles »Skandale«, die wir weitgehend schon wieder vergessen haben, genauso wie das Ozonloch, den Milzbrand (erinnern Sie sich noch: nach dem 11. September 2001 stand ganz Deutschland wegen Puderzucker kopf) oder das berühmte »Waldsterben« unseligen Angedenkens, das inzwischen als riesiger Medienschwindel entlarvt worden ist. Es folgten die Vogel- und die Schweinegrippe, Acrylamid und Nitrofen, die SARS-Panik von 2003, dann im Januar 2011 die republikweite Aufregung wegen Dioxin in Hühnereiern. Und gerade eben, während ich dieses Vorwort schreibe, die große Verunsicherung über das Atomdesaster in Japan. In all diesen Fällen wurde und wird durch eine in aller Regel unbegründete Panik ein enormer wirtschaftlicher Schaden angerichtet. Über Japan will ich hier nicht reden, die Rechnung ist noch offen. Aber allein die völlig überzogene SARS-Panik von Anfang 2003 – um eine inzwischen abgeschlossene kleinere Affäre zu nehmen – und der dadurch erzeugte Einbruch des Fernost-Fluggeschäfts haben der Deutschen Lufthansa rund 100 Millionen Euro Verlust beschert. Ich weiß das, ich bin Aktionär. Vor SARS standen die Aktien bei 18, drei Monate später standen sie bei 11.
    Schon vor zehn Jahren haben Gerald Mackenthun und ich in unserem Buch Die Panikmacher die ganze Unvernunft unseres Verhaltens gegenüber eingebildeten und wirklichen Gefahren aufgezeigt; Schwerpunkte waren damals Arzneimittelnebenwirkungen, Amalgam und BSE. Und ein Kapitel war auch der völlig überzogenen – und strikt auf Deutschland und Österreich beschränkten – Panik wegen Tschernobyl gewidmet. Genutzt hat es nichts, die irrationale Anfälligkeit für Ängste aller Art hat seit damals eher zugenommen. Gleich im ersten Kapitel fange ich deshalb mit einer langen Liste von seither erschienenen Angst-Schlagzeilen an, die zeigen, wie wir selbst und unsere Medien diese Aufregung fast schon zu genießen scheinen.
    Inzwischen glaube ich auch, der damalige Ansatz war falsch. Man kann einem Menschen, der Angst vor Spinnen hat, nicht sagen: Die Tiere tun dir nichts, du benimmst dich unvernünftig. Er hat trotzdem weiter Angst. Deshalb versuche ich in diesem Buch, über eine reine Beschreibung unseres unvernünftigen Verhaltens und dessen kostspieliger Folgen hinauszugehen. Warum verhalten wir uns so? Was steckt eigentlich hinter der leider nur zu allzu weitverbreiteten Unfähigkeit der Panikopfer, mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten richtig umzugehen? Wer hat ein Interesse daran, dass dies so bleibt? Und was heißt »richtig umzugehen«?
    Mein besonderes Augenmerk gilt dabei der Rolle der Medien in diesem ganzen Trauerspiel. Hier
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