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Vom Daemon verweht

Vom Daemon verweht

Titel: Vom Daemon verweht
Autoren: Julie Kenner
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Seniorenheim nur so von Dämonen. (Okay, das mag vielleicht übertrieben sein; aber es war tatsächlich mindestens ein halbes Dutzend Dämonen hier, die als Greise ihr Unwesen trieben und sich aufführten, als ob das Heim ihnen gehörte.) Da eine solche Situation nicht akzeptabel ist, war ich ausgezogen, um sie das Fürchten zu lehren und unter ihnen einmal so richtig aufzuräumen, Marshal Dillon aus Rauchende Colts gar nicht so unähnlich, auch wenn ich dabei natürlich keinen coolen weißen Cowboyhut oder einen kleinen Silberstern auf der Brust getragen habe.
    Mir stand stattdessen ein hübsches Arsenal von Lügen zur Verfügung (zusammen mit praktischeren Werkzeugen wie Weihwasser, Holzpflöcke und ein verdammt scharfes Stilett). Und ich muss sagen, dass ich wirklich teuflisch gut war. Nach wenigen Monaten konnte ich Coastal Mists zur dämonenfreien Zone erklären.
    Gleichzeitig mit den Monstern verschwanden ziemlich viele Verwaltungsangestellte und Ärzte auf Nimmerwiedersehen. Bei ihnen handelte es sich nicht um Dämonen, sondern um deren menschliches Gefolge, das sich durch Versprechungen von Macht, Reichtum oder sonst etwas hatte verführen lassen. Im Grunde die übliche Geschichte, die in diesem Fall dazu geführt hatte, dass ein durchschnittliches Altenheim in eine Dämonenfabrik verwandelt worden war.
    Doch es war mir gelungen, diese Fabrik für hoffentlich immer zu schließen.
    Inzwischen hatte sich der Ort, der früher einmal als deprimierende Vermehrungsstätte für die Untoten gedient hatte, in ein ziemlich fröhliches Haus verwandelt, in dem es abendliche Filmvorführungen, Pay-TV und den neuesten Plasma-Fernseher mit einem Soundsystem gab, das wahrscheinlich sogar meinem technikbegeisterten Mann die Ohren weggepustet und ihn schwer beeindruckt hätte.
    Aber war es mir auch gelungen, Coastal Mists von meiner Aufgabenliste zu streichen? Blieb mir nun mehr Zeit für meine Einkäufe, die Fahrdienste oder die zahlreichen anderen Aufgaben einer Hausfrau und Mutter? Nein, das konnte man nicht behaupten. Denn um mir zu Coastal Mists überhaupt Zutritt verschaffen zu können, war ich gezwungen gewesen, mir eine überzeugende Geschichte einfallen zu lassen. Und dummerweise hatte ich behauptet, ehrenamtlich dort arbeiten zu wollen.
    Die Dämonen mochten inzwischen das Weite gesucht haben, aber meine Verpflichtungen waren mir dummerweise geblieben. So kochte ich jetzt nicht nur Mahlzeiten für meine Familie, sondern brachte auch den Bettlägerigen ihr Essen aufs Zimmer. Ich las nicht nur meinem Jungen Dr. Seuss vor, sondern auch alten Männern, die sich wahrscheinlich noch an ihre eigene Zeit im Wilden Westen erinnerten, Zane Greys Abenteuergeschichten. Und ich brachte nicht nur mein Kind dazu, endlich den Topf zu benutzen, sondern ich war auch… Sie begreifen sicher, worauf ich hinauswill.
    Außerdem – und das ist ein wichtiges Außerdem – blieb mir auch gar nichts anderes übrig, als mich so häufig wie möglich in Coastal Mists zu zeigen. Denn das Altenheim hatte eine hohe Sterblichkeitsrate (das liegt in der Natur der Dinge), die es zu einer perfekten Brutstätte für jeden Dämonenführer machte, der versuchen sollte, in San Diablo Fuß zu fassen.
    Letzteres war immerhin erst kürzlich passiert, und ich hatte nicht vor, so etwas noch einmal zuzulassen.
    An diesem Tag waren meine beste Freundin Laura und ich also damit beschäftigt, das Altenheim für die Weihnachtstage zu schmücken. Wir hatten Timmy aus drei Gründen mitgebracht. Der erste war rein egoistischer Natur: mütterliche Schuldgefühle. Obwohl ich Timmy in einer Kindertagesstätte angemeldet hatte – wo es ihm auch zu gefallen schien –, quälte mich mein schlechtes Gewissen deswegen doch so sehr, dass ich ihn dort nur abgab, wenn es absolut notwendig war. Wenn zum Beispiel die Höllenlegionen mal wieder unser Viertel bedrohten. Oder wenn ich neue Klamotten kaufen musste. Sie können es mir glauben: Ich bringe lieber fünfzehn Dämonen um die Ecke, während mir mein Kind am Rockzipfel hängt, als den kleinen Mann zum Shoppen mitzunehmen, um zum Beispiel das perfekte Outfit für eine der todlangweiligen Politikerpartys meines Mannes zu kaufen.
    Mein zweiter Grund rührte von einem etwas selbstloseren Motiv her: Die Leute im Altenheim liebten den kleinen Racker. Ist ja auch verständlich. Hierher kamen nicht viele Besucher und erst recht kaum welche im Kindergartenalter. Außerdem war mein Junge, was Kleinkinder betrifft, mehr oder weniger
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