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Vom Daemon verweht

Vom Daemon verweht

Titel: Vom Daemon verweht
Autoren: Julie Kenner
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mit ihm fertig. Ich hatte selbst mal ein Kind in diesem Alter. Vergiss das nicht.«
    Allerdings war ihr Kind inzwischen vierzehn und zog sich selbst an. Trotzdem nickte ich. Ich wusste, wann es keinen Sinn hatte, mit Laura zu streiten. Sie ist eine Frau, der es erfolgreich gelungen war, ein Kostüm zurückzugeben, obwohl der ganze Laden mit riesigen Schildern gepflastert war, auf denen »Alles um 75% reduziert! Vom Umtausch ausgeschlossen!« stand.
    Ich beobachtete, wie sie entschlossen Timmys Klamotten zusammensammelte und ihn dann unter den Arm nahm. Er begann zuerst heftig zu strampeln, aber sie drehte ihn einfach um und hielt ihn um den Bauch fest, so dass sein Kopf auf Höhe ihrer Knie hin und her pendelte. Seine Proteste verwandelten sich in ein begeistertes Quietschen. Als sie an mir vorbei zur Damentoilette ging, warf sie mir den selbstzufriedenen Blick einer Siegerin zu.
    Ich wandte mich also wieder meiner Girlande zu, wobei ich mich wirklich beeilte. Von meiner Leiter aus konnte ich durch die großen Fenster auf die Klippen in der Ferne blicken. Ich sah einen Teil des Pazifiks, der heftig in Bewegung war und über dem die Sonnenstrahlen winzig kleine Regenbögen formten, sobald die Gischt gegen die Felsen schlug.
    Ich liebe Kalifornien. Allein das Wetter. Und den Strand. Eigentlich alles. Doch als ich so die Weihnachtsgirlande an das lackierte Holz tackerte, wurde mir klar, dass ich mich auch wieder einmal nach einem echten weißen Weihnachten sehnte, das Bing Crosby so schön besungen hatte. Ich nahm mir vor, demnächst einmal heiße Schokolade, Schlagsahne und einige rot-grüne Wolldecken zu kaufen. Wahrscheinlich würden wir keinen Schneesturm erleben, aber ich konnte zumindest die Klimaanlage hochstellen und Stuart davon überzeugen, mal wieder ein Feuer in unserem Kamin zu machen, was so selten geschah.
    Ich war also gerade dabei, mir trotz des heißen Wetters ein wohlig knisterndes Feuer vorzustellen, als ich bemerkte, wie einige Heimbewohner, die sich bisher im Fernsehzimmer aufgehalten hatten, den Gang entlang zu der am Ende befindlichen Glastür eilten. Dort stand ein uniformierter Mann mit einem Pappschild in der Hand und einer roten Kappe, die er tief ins Gesicht gezogen hatte. Ich konnte weder lesen, was auf dem Schild stand, noch hören, was er sagte. Doch unsere Senioren hatten sich vor ihm in einer Schlange aufgestellt. Vermutlich ging es um einen Ausflug.
    »Wohin gehen die alle?«, wollte ich wissen.
    »Hm? Wer, meine Liebe?«, erwiderte Delia.
    Ich deutete den Gang entlang und verlor dabei beinahe das Gleichgewicht.
    »Ach, die. Ich glaube, sie machen einen Ausflug. In eine Schule.«
    »In welche Schule? In die Highschool?«
    »Ja, ja. Die Highschool.« Delia runzelte die Stirn. »Ich habe nie die Highschool abgeschlossen. Daddy fand es für eine Frau nicht wichtig, dass sie eine Ausbildung macht.«
    Während ich noch über diesen kurzen Einblick in Delias früheres Leben nachdachte, bog Jenny um die Ecke. Sie hielt ein Klemmbrett in der Hand. Jenny arbeitete unentgeltlich im Altenheim, wirkte stets ein bisschen schusselig und kannte beinahe genauso viel Klatsch über die Vorkommnisse in Coastal Mists wie Delia.
    »Hallo, Mrs. Connor!«, begrüßte sie mich, als sie zu mir hochblickte und mir zuwinkte, als ob ich mich auf dem Eiffelturm befände. »Wow! Das sieht aber toll aus.«
    Ich betrachtete meine Arbeit und fand, dass Jennys Ansprüche eindeutig zu gering waren.
    Gerade wollte ich sie fragen, ob der Bus tatsächlich zur Highschool fuhr, als Schwester Ratched hereinstürmte. Sie packte das Mädchen am Arm und zog es grob beiseite. Ich lächelte Jenny aufmunternd an. Schließlich hatte ich auch bereits mit Schwester Ratcheds groben Manieren zu tun gehabt und wusste aus Erfahrung, dass der Kontakt mit ihr selten Vergnügen machte. (Um nicht allzu fies zu sein, möchte ich hinzufügen, dass Schwester Ratched in Wahrheit Schwester Baker heißt und, soweit ich das sagen kann, keinem Dämon dient, wie ich ursprünglich angenommen hatte. Dennoch erinnert sie mich stark an die bösartige Schwester Ratched aus dem Film Einer flog über das Kuckucksnest, und ich kann sie nicht ausstehen.)
    Schwester Ratched besitzt eine dieser tiefen Stimmen, die man kaum überhören kann, selbst wenn sie flüstert. Ich mochte Jenny, und deshalb schien es mir unhöflich, bewusst zuzuhören, als ihr die Leviten gelesen wurden. Ich versuchte also, mich auf anderes zu konzentrieren, und tat wirklich alles –
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