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Vom Daemon verweht

Vom Daemon verweht

Titel: Vom Daemon verweht
Autoren: Julie Kenner
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nicht angelassen, und einige der Heimbewohner drückten sich im Freien herum, während Schwester Ratched und Jenny die Liste der Mitfahrenden durchgingen.
    Ich schickte dem heiligen Peoni – dem Patron der Narren und Dämonenjäger – ein kurzes Dankeschön nach oben. Noch blieb mir also Zeit.
    Die Damentoilette befand sich hinter der Rezeption im Hauptfoyer. Ich riss die Tür auf und rief nach Timmy und Laura.
    »Mami, Mami! Ich gehe Klo!« Die Stimme meines Sohns ertönte aus einer der zahlreichen Toilettenkabinen, die für Behinderte vorgesehen waren. (Meiner und auch Lauras Meinung nach bedeutet das Herumschleppen eines Kleinkinds in der Öffentlichkeit bereits Behinderung genug, um die Benutzung dieser Toiletten zu rechtfertigen. Zumindest bis diejenigen, die das Sagen in diesen Sachen haben, das Genie feuern, das die normalen Kabinen viel zu klein für eine Mutter, ein Kind, eine Tasche mit Windeln, eine Handtasche und ein Stofftier entwarf.)
    »Toll, Liebling«, erwiderte ich automatisch. An Laura gerichtet, erklärte ich: »Laura, es geht um einen echten Notfall. Kannst du dich bitte für mich um den kleinen Burschen kümmern?«
    »Dämonen?«, fragte sie.
    Ich zuckte zusammen. Doch ein rascher Blick unter die Türen der anderen Kabinen zeigte mir, dass sich sonst niemand in der Toilette aufhielt.
    »Genau.«
    »Dann geh«, erklärte sie cool. Vor einigen Monaten hatte sie die Vorstellung, dass Dämonen durch unsere Welt wandelten, noch völlig aus der Fassung gebracht. Inzwischen war es auch für sie ganz normal geworden. Kurz quälte mich mein schlechtes Gewissen, weil ich das heile Bild, das meine Freundin bis dahin gepflegt hatte, hatte zerstören müssen. Aber damit durfte ich mich jetzt nicht aufhalten. Wenn ich den Bus nicht erwischte und Mr. Sinclair zeigen konnte, wo für ihn die Fahrt zu Ende war, würde Lauras Welt möglicherweise noch schlimmer als nur in ihrer Vorstellung Schaden erleiden.
    Ich warf meine Schlüssel auf die Ablage neben den Waschbecken. In einer perfekten Welt würde ich Sinclair finden und ins Heim zurückbugsieren, doch da der Bus kurz vor der Abfahrt stand und ich nicht wusste, wie Sinclair aussah, würde ich wahrscheinlich mit dem Bus mitfahren müssen. Außerdem hatte ich schon vor langer Zeit gelernt, dass wir in keiner perfekten Welt leben. »Für meinen Wagen«, erklärte ich laut. »Aber hetze dich bitte nicht ab, nur um rechtzeitig da zu sein. Okay?«
    Bei diesen Worten hörte das Rascheln des Toilettenpapiers auf, und Lauras Kopf tauchte über der Kabinentür auf. »Willst du mir erklären, was los ist?«
    »Eigentlich nicht.«
    Sie holte tief Luft, und ich konnte die Besorgnis in ihren Augen erkennen. »Pass bitte auf, dass meinem Kind nichts passiert.«
    Ich nickte und blickte auf die Kabinentür, hinter der sich mein Sohn leise mit sich selbst unterhielt. »Du bitte umgekehrt auch«, sagte ich.
    Natürlich wählte Timmy genau diesen Augenblick, um zu begreifen, dass sich Lauras Status von dem einer vorübergehenden Begleitung zu dem einer länger anwesenden Babysitterin geändert hatte. Er erklärte sein Missfallen, indem er in höchster Lautstärke zu brüllen begann. Mein Herz zog sich wehmütig zusammen. Aber ich gab mir alle Mühe, nicht die Nerven zu verlieren, sondern stattdessen die Toilette so schnell wie möglich zu verlassen. Bei Laura befand er sich in Sicherheit, und er würde mir später bestimmt vergeben. Für den Moment jedoch tat mir sein Weinen weh. Ich sagte mir, dass die Rettung der Welt vor den Mächten der Finsternis allen – einschließlich meiner Kinder – zugute kommen würde. Aber dieser verdammte mütterliche Instinkt will manchmal einfach nicht auf vernünftige Argumente hören.
    Timmys Heulen hallte noch immer in meinen Ohren wider, als ich über den Parkplatz zum Bus rannte. Alle befanden sich bereits an Bord, und der Motor lief. Schwester Ratched war verschwunden. Nur Jenny war geblieben, das Klemmbrett in der Hand und ein Runzeln auf ihrer kleinen Stirn.
    »Jenny!«, rief ich. »Halten Sie den Bus an!«
    Sie blickte fragend auf. Ihre Augen waren vor Überraschung und Verwirrung geradezu geweitet. »Mrs. Connor! Was gibt es?«
    »Ich habe Schwester Ra… Schwester Baker erklärt, dass ich als Begleitung mitfahren würde«, schwindelte ich. »Ich will sowieso in die gleiche Richtung.«
    »Oh.« Sie sah mich fragend an. »Sie hat mir gar nichts gesagt…«
    »Weil ich das gerade erst mit ihr abgemacht habe.« Ich zeigte auf meinen
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